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Landesarbeitsgericht Nürnberg: Kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Fürsorgegesprächen

Das Lan­desar­beits­gericht (LAG) Nürn­berg hat in einem Beschluss vom 2. März 2021 (Akten­ze­ichen: 7 TaBV 5/20) fest­gestellt, dass der Betrieb­srat kein Mitbes­tim­mungsrecht hat, wenn der Arbeit­ge­ber Für­sorgege­spräche mit einzel­nen Arbeit­nehmern führt. Diese Gespräche zie­len darauf ab, die Ursachen von Krankheit­en und die damit ver­bun­de­nen Arbeits­be­din­gun­gen zu klären.

Im konkreten Fall forderte der Betrieb­srat eines bun­desweit täti­gen Nieren­zen­trums den Arbeit­ge­ber auf, die Durch­führung solch­er Für­sorgege­spräche zu unter­lassen. Diese Gespräche wur­den ins­beson­dere mit Mitar­beit­ern geführt, die häu­fig krankheits­be­d­ingt fehlten. Es gab jedoch keine konkreten Kri­te­rien für die Auswahl der teil­nehmenden Mitarbeiter.

Der Betrieb­srat argu­men­tierte, dass die Durch­führung solch­er Gespräche sein­er Mitbes­tim­mung nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 des Betrieb­sver­fas­sungs­ge­set­zes (BetrVG) unter­liegen würde. Sowohl das Arbeits­gericht als auch das LAG Nürn­berg lehn­ten den Antrag des Betrieb­srats ab. Sie beton­ten, dass eine Mitbes­tim­mung nur bei Angele­gen­heit­en der Ord­nung des Betriebs und des Ver­hal­tens der Arbeit­nehmer im Betrieb gegeben ist, soweit keine geset­zliche oder tar­i­fliche Regelung besteht.

Das LAG Nürn­berg stellte klar, dass Regelun­gen und Weisun­gen, welche die Arbeit­spflicht unmit­tel­bar konkretisieren, also das soge­nan­nte “Arbeitsver­hal­ten”, nicht mitbes­tim­mungspflichtig sind. For­mal­isierte Krankenge­spräche, bei denen die Auswahl der Arbeit­nehmer nach abstrak­ten Regeln erfol­gt und es um eine betriebliche Aufk­lärung zur Erken­nung der Ein­flüsse der Arbeit auf den Kranken­stand geht, unter­liegen der Mitbestimmung.

Das LAG stellte jedoch fest, dass die vom Arbeit­ge­ber durchge­führten Für­sorgege­spräche nicht dieser Def­i­n­i­tion entsprechen. Sie wur­den fall­weise und in unstruk­turi­ert­er Form mit einem oder mehreren Mitar­beit­ern über krankheits­be­d­ingte Aus­fal­lzeit­en und eventuelle Ein­flüsse der Arbeit hier­auf geführt. Daher wur­den sie nicht als mitbes­tim­mungspflichtig eingestuft.

Diese Entschei­dung ist für die betriebliche Prax­is von Bedeu­tung, da sie zeigt, dass Stre­it­igkeit­en entste­hen kön­nen, wenn das Arbeits- und Gesund­heitss­chutzgeschehen nicht for­mal­isiert stat­tfind­et. Eine Betrieb­svere­in­barung zum Arbeitss­chutz, in der auch Kri­te­rien für Kranken­rück­kehrge­spräche fest­gelegt sind, kön­nte solche Stre­it­igkeit­en vermeiden.