bible, book, christian

Aktuelle Änderungen im Arbeits- und Betriebsverfassungsrecht

Aktuelle Änderun­gen im Arbeits- und Betrieb­sver­fas­sungsrecht, Stand 18.06.2023

Aktuelle Änderungen im Arbeits- und Betriebsverfassungsrecht

Inhalt

In der sich ständig wan­del­nden Arbeitswelt ist es uner­lässlich, sich stets auf dem neuesten Stand der aktuellen Geset­ze und Recht­sprechun­gen zu hal­ten. Verän­derun­gen im Arbeits- und Betrieb­sver­fas­sungsrecht kön­nen weitre­ichende Auswirkun­gen auf Unternehmen, Arbeit­nehmer und Betrieb­sräte haben. Ob es um Fra­gen der Arbeit­szeit, des Daten­schutzes, der Mitbes­tim­mung oder der beru­flichen Weit­er­bil­dung geht — Ken­nt­nisse über aktuelle Geset­ze und Urteile sind von zen­traler Bedeutung.

In diesem Sem­i­nar wer­den wir uns inten­siv mit den wesentlichen Änderun­gen im Arbeits- und Betrieb­sver­fas­sungsrecht seit dem Jahre­sende 2019 befassen. Unser Fokus liegt dabei auf den Geset­zen, die in den let­zten Jahren erlassen wur­den, sowie auf den Gericht­sentschei­dun­gen, die in diesem Zeitraum von beson­der­er Bedeu­tung waren. Beson­dere Aufmerk­samkeit wer­den das Qual­i­fizierungschan­cenge­setz, das Arbeit-von-mor­gen-Gesetz und das Betrieb­sräte­mod­ernisierungs­ge­setz erhalten.

Das Qual­i­fizierungschan­cenge­setz und das Arbeit-von-mor­gen-Gesetz repräsen­tieren einen bedeu­ten­den Schritt in Rich­tung Anpas­sung der Arbeits­ge­set­zge­bung an die Her­aus­forderun­gen der mod­er­nen Arbeitswelt. Sie beto­nen die Rolle der beru­flichen Weit­er­bil­dung und stellen neue Möglichkeit­en der Qual­i­fizierung und Förderung bere­it. Das Betrieb­sräte­mod­ernisierungs­ge­setz hinge­gen zielt auf die Stärkung der Betrieb­sräte und die Mod­ernisierung ihrer Arbeit ab. Wir wer­den diese Geset­ze im Detail besprechen.

Neben den Geset­zen wer­den wir auch die Recht­sprechung betra­cht­en, das soge­nan­nte “Richter­recht”. Aktuelle Urteile von Arbeits- und Sozial­gericht­en kön­nen einen erhe­blichen Ein­fluss auf die Ausle­gung und Anwen­dung der Geset­ze haben und sind daher eben­so wichtig zu verstehen.

Ziel dieses Sem­i­nars ist es, den Teil­nehmenden einen umfassenden Überblick über die jüng­sten Entwick­lun­gen im Arbeits- und Betrieb­sver­fas­sungsrecht zu geben und Ihnen die Werkzeuge an die Hand zu geben, um die Auswirkun­gen dieser Entwick­lun­gen in Ihrer täglichen Arbeit bess­er zu ver­ste­hen und zu managen.

1.1 Die Auswirkungen der Jahrhunderterklärung der Internationalen Arbeitsorganisation auf das deutsche Arbeitsrecht

Die Inter­na­tionale Arbeit­sor­gan­i­sa­tion (IAO) hat im Laufe ihrer hun­dertjähri­gen Geschichte eine entschei­dende Rolle bei der Gestal­tung des Arbeit­srechts und der Arbeit­sprak­tiken weltweit gespielt.

Im Jahr 2019 ver­ab­schiedete die IAO ihre Jahrhun­dert­erk­lärung, ein weg­weisendes Doku­ment, das die Zukun­ft der Arbeit und die Rolle der IAO in dieser Zukun­ft skizziert. Dieser Artikel unter­sucht die Auswirkun­gen dieser Erk­lärung auf das deutsche Arbeitsrecht.

1.1.1 Die Internationale Arbeitsorganisation (IAO)

Die IAO wurde 1919 gegrün­det und ist die älteste Son­deror­gan­i­sa­tion der Vere­in­ten Natio­nen. Sie hat sich der Förderung von sozialer Gerechtigkeit und men­schen­würdi­ger Arbeit ver­schrieben und spielt eine entschei­dende Rolle bei der Fes­tle­gung und Durch­set­zung inter­na­tionaler Arbeitsstandards.

1.1.2 Jahrhunderterklärung der IAO

Die Jahrhun­dert­erk­lärung der IAO wurde am 21. Juni 2019 von der Inter­na­tionalen Arbeit­skon­ferenz ver­ab­schiedet. Sie betont die Notwendigkeit von Investi­tio­nen in Infra­struk­tur und strate­gis­che Bere­iche, um den tief­greifend­en Verän­derun­gen in der Arbeitswelt zu begeg­nen, und fordert Poli­tiken und Anreize, die nach­haltiges und inklu­sives Wirtschaftswach­s­tum, die Grün­dung und Entwick­lung nach­haltiger Unternehmen und den Über­gang von der informellen zur formellen Wirtschaft fördern.

1.1.3 Die Auswirkungen der Jahrhunderterklärung auf das Arbeitsrecht

Die Jahrhun­dert­erk­lärung betont die Bedeu­tung der Fes­tle­gung, Förderung und Rat­i­fizierung inter­na­tionaler Arbeit­snor­men und der Überwachung ihrer Ein­hal­tung. Sie fordert die IAO auf, über einen klaren, robusten, aktuellen und rel­e­van­ten Bestand an inter­na­tionalen Arbeit­snor­men zu ver­fü­gen und ihn zu fördern und die Trans­parenz weit­er zu steigern. Diese Forderun­gen haben direk­te Auswirkun­gen auf das Arbeit­srecht, da sie die Notwendigkeit beto­nen, Arbeits­ge­set­ze und ‑prak­tiken an inter­na­tionale Stan­dards anzu­passen und die Ein­hal­tung dieser Stan­dards zu überwachen.

1.1.4 Die Bedeutung der Jahrhunderterklärung für das deutsche Arbeitsrecht

In Deutsch­land hat die Jahrhun­dert­erk­lärung das Poten­zial, das Arbeit­srecht in mehreren Bere­ichen zu bee­in­flussen. Sie kön­nte dazu führen, dass das deutsche Arbeit­srecht stärk­er auf die Förderung von sozialer Gerechtigkeit, die Verbesserung der Arbeits­be­din­gun­gen und die Gewährleis­tung der Ein­hal­tung inter­na­tionaler Arbeit­snor­men aus­gerichtet wird. Darüber hin­aus kön­nte sie die Notwendigkeit beto­nen, das Arbeit­srecht an die sich wan­del­nden Struk­turen der Arbeitswelt anzupassen.

1.1.5 Schlussfolgerung

Die Jahrhun­dert­erk­lärung der IAO bietet eine wichtige Ori­en­tierung für die Gestal­tung des Arbeit­srechts in Deutsch­land und weltweit. Sie betont die Notwendigkeit, das Arbeit­srecht an die sich wan­del­nden Struk­turen der Arbeitswelt anzu­passen und die Ein­hal­tung inter­na­tionaler Arbeit­snor­men zu überwachen. Mit dem zunehmenden Ein­satz von KI am Arbeit­splatz wird es immer wichtiger, diese Prinzip­i­en zu beherzi­gen und sicherzustellen, dass die Vorteile der KI allen zugutekom­men, während gle­ichzeit­ig die Her­aus­forderun­gen, die sie mit sich bringt, ange­gan­gen werden.

1.1.6 Quellen:

Jahrhun­dert­erk­lärung der Inter­na­tionalen Arbeit­sor­gan­i­sa­tion für die Zukun­ft der Arbeit, 21. Juni 2019:

https://www.ilo.org/wcmsp5/groups/public/—europe/—ro-geneva/—ilo-berlin/documents/publication/wcms_748746.pdf

Artikel zur Jahrhun­dert­erk­lärung der ILO auf der ibp.Betriebsratscloud:

1.2 Die Rolle von ESG im Arbeitsrecht: Was Unternehmen wissen müssen

In der heuti­gen Geschäftswelt spielt ESG (Envi­ron­men­tal, Social, Gov­er­nance) eine immer wichtigere Rolle. Unternehmen wer­den zunehmend dafür ver­ant­wortlich gemacht, wie sie sich auf die Umwelt, die Gesellschaft und die Unternehmensführung auswirken. Dies hat auch Auswirkun­gen auf das Arbeit­srecht, da Unternehmen nun bes­timmte Stan­dards ein­hal­ten müssen, die sowohl intern als auch ent­lang ihrer Liefer­ket­ten gelten.

1.2.1 ESG und das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz

Seit dem 1. Jan­u­ar 2023 ist das Liefer­ket­ten­sorgfalt­spflicht­enge­setz in Kraft. Dieses Gesetz verpflichtet Unternehmen, ent­lang ihrer gesamten Liefer­kette Men­schen­rechte und Umwelt­stan­dards einzuhal­ten. Im Arbeit­srecht bedeutet dies, dass Unternehmen einen angemesse­nen Lohn zahlen müssen, der min­destens dem jew­eils gel­tenden geset­zlichen Min­dest­lohn entspricht. Unternehmen müssen proak­tiv Maß­nah­men ergreifen, um sicherzustellen, dass ihre Liefer­ket­ten diese Stan­dards erfüllen.

1.2.2 Nachhaltige Vergütungspolitik

Börsen­notierte Unternehmen sind geset­zlich verpflichtet, eine nach­haltige Vergü­tungspoli­tik zu ver­fol­gen. Nach dem ARUG II (Gesetz zur Umset­zung der zweit­en Aktionärsrichtlin­ie) muss die Vergü­tungsstruk­tur der Vor­standsmit­glieder auf eine nach­haltige und langfristige Entwick­lung der Gesellschaft aus­gerichtet sein. Dies bedeutet, dass die Vergü­tung der Vor­standsmit­glieder nicht nur auf kurzfristige Gewinne aus­gerichtet sein sollte, son­dern auch die langfristi­gen Auswirkun­gen ihrer Entschei­dun­gen auf die Umwelt und die Gesellschaft berück­sichti­gen sollte.

1.2.3 Die EU-Richtlinie über die Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD)

Die Cor­po­rate Sus­tain­abil­i­ty Report­ing Direc­tive (CSRD) der EU, die Anfang 2023 in Kraft getreten ist, erweit­ert und erset­zt die bish­erige Richtlin­ie zur nicht­fi­nanziellen Berichter­stat­tung (NFRD). Sie führt zu ein­er umfassenderen Nach­haltigkeits­berichter­stat­tung und bet­rifft etwa 15.000 Unternehmen in Deutsch­land, darunter börsen­notierte Unternehmen, Banken und Ver­sicherun­gen. Diese Unternehmen müssen detail­lierte Infor­ma­tio­nen über ihre sozialen und ökol­o­gis­chen Auswirkun­gen sowie ihre Strate­gien zur Bewäl­ti­gung von Nach­haltigkeit­srisiken veröffentlichen.

Die Umset­zung der CSRD stellt eine große Her­aus­forderung dar, da Unternehmen ihre inter­nen Prozesse anpassen und sich­er­stellen müssen, dass ihre Berichte den neuen Euro­pean Sus­tain­abil­i­ty Report­ing Stan­dards (ESRS) entsprechen.

Die CSRD soll die Trans­parenz und Ver­gle­ich­barkeit von Nach­haltigkeitsin­for­ma­tio­nen verbessern und so eine bessere Entschei­dungs­grund­lage für Inve­storen, Kun­den und andere Stake­hold­er bieten.

1.2.4 Equal Pay statt Gender Pay Gap

ESG im Arbeit­srecht umfasst auch das Prinzip des Equal Pay, bei dem Unternehmen gle­iche Vergü­tung für gle­ich­w­er­tige Arbeit unab­hängig vom Geschlecht gewährleis­ten sollen. Dies fördert Fair­ness, Gle­ich­stel­lung und Diversität.

Ein aktuelles Urteil des Bun­de­sar­beits­gerichts stärkt den Equal-Pay-Grund­satz, unter­stützt soziale Gerechtigkeit und Geschlechter­gle­ich­stel­lung. Trotz­dem bleibt der Gen­der Pay Gap eine Her­aus­forderung im ESG-Kon­text, die Unternehmen durch aktives Engage­ment für faire Ent­loh­nung und Chan­cen­gle­ich­heit ange­hen soll­ten, um ihn zu verringern.

1.2.5 Die Rolle des Betriebsrats bei der Gestaltung von ESG-Konzepten

Der Betrieb­srat spielt eine wichtige Rolle bei der Umset­zung von ESG-Konzepten im Unternehmen. Obwohl der Betrieb­srat nicht erzwin­gen kann, dass sich der Arbeit­ge­ber dem The­ma wid­met, hat er im Rah­men der Aus­gestal­tung bei ver­schiede­nen The­men Mitbes­tim­mungsrechte. Dies bedeutet, dass der Betrieb­srat aktiv an der Gestal­tung und Umset­zung von ESG-Konzepten im Unternehmen beteiligt sein sollte.

1.2.6 Fazit und Ausblick

ESG und Arbeit­srecht sind eng miteinan­der verknüpft. Unternehmen, die das The­ma ESG zu lange vor sich her­schieben, riskieren nicht nur den Ver­lust von Kun­den­beziehun­gen und Rep­u­ta­tion­ss­chä­den, son­dern auch Kla­gen betrof­fen­er Arbeit­nehmer. Daher soll­ten sie sich proak­tiv mit dem The­menkom­plex ESG im Arbeit­srecht befassen und nach­haltige Stan­dards ein­führen. Die Rolle des Betrieb­srats bei der Gestal­tung von ESG-Konzepten ist dabei von entschei­den­der Bedeu­tung. Es ist an der Zeit, dass Unternehmen ESG nicht mehr als bloße Com­pli­ance-Auf­gabe sehen, son­dern als Chance, ihre Arbeit­sprak­tiken zu verbessern und einen pos­i­tiv­en Beitrag zur Gesellschaft und zur Umwelt zu leisten.

1.3 Arbeitswelt-Report 2023 und die doppelte Transformation

Im Mai 2023 wurde der dritte Arbeitswelt-Report veröf­fentlicht, eine jährliche Pub­lika­tion, die einen tiefen Ein­blick in die aktuelle und zukün­ftige Land­schaft der Arbeitswelt in Deutsch­land bietet. Der erste Report, der im Jahr 2021 veröf­fentlicht wurde, stand noch im Zeichen der unmit­tel­baren Auswirkun­gen der Covid-19-Pan­demie und der damit ver­bun­de­nen Her­aus­forderun­gen für die Arbeitswelt. Doch mit jedem weit­eren Jahr und jedem weit­eren Report hat sich der Fokus ver­schoben und erweit­ert, um die sich ständig verän­dern­den Dynamiken und Her­aus­forderun­gen der Arbeitswelt zu erfassen. Par­al­lel dazu bietet das Arbeitswelt­por­tal, eine Ini­tia­tive des Bun­desmin­is­teri­ums für Arbeit und Soziales, eine Fülle von Infor­ma­tio­nen, Dat­en und Fak­ten rund um die Arbeitswelt.

1.3.1 Hintergrund und Kontext der Transformation

Die Arbeitswelt befind­et sich in einem ständi­gen Wan­del. Die aktuelle Phase der Trans­for­ma­tion ist jedoch von beson­der­er Bedeu­tung, da sie zwei große Verän­derun­gen umfasst: die dig­i­tale und die ökol­o­gis­che Trans­for­ma­tion. Diese Verän­derun­gen sind tief­greifend und haben weitre­ichende Auswirkun­gen auf die Art und Weise, wie wir arbeit­en und wie Unternehmen funk­tion­ieren. Die dig­i­tale Trans­for­ma­tion hat die Arbeitswelt bere­its erhe­blich verän­dert, indem sie neue Tech­nolo­gien und Arbeitsweisen einge­führt hat. Die ökol­o­gis­che Trans­for­ma­tion hinge­gen ste­ht noch am Anfang, wird aber zweifel­los erhe­bliche Auswirkun­gen auf die Arbeitswelt haben, ins­beson­dere in Bezug auf Nach­haltigkeit und Umweltschutz. Das Arbeitswelt­por­tal analysiert diese und weit­ere Fak­toren, die Umbrüche in der Arbeitswelt verur­sachen, wie den demografis­chen Wan­del, sink­ende Tar­if­bindung und Plattformarbeit.

1.3.2 Der Rat der Arbeitswelt

Eine zen­trale Rolle bei der Gestal­tung und Analyse der Trans­for­ma­tion der Arbeitswelt spielt der Rat der Arbeitswelt. Dieses inter­diszi­plinäre Experten­gremi­um wurde im Jan­u­ar 2020 vom Bun­desmin­is­teri­um für Arbeit und Soziales (BMAS) ins Leben gerufen und agiert unab­hängig auf Grund­lage seines Man­dats. Der Rat ver­ant­wortet den Arbeitswelt-Bericht und hat die Auf­gabe, Poli­tik, betriebliche Prax­is und Öffentlichkeit regelmäßig zum Wan­del der Arbeitswelt zu informieren und zu berat­en. Die Mit­glieder des Rates sind inter­diszi­plinär und prax­is­be­zo­gen, um auch bei Unternehmen, Beschäftigten und Sozial­part­nern Gehör zu finden.

1.3.3 Die Rolle des Betriebs als Transformationsort

Betriebe sind die Haup­tak­teure in dieser dop­pel­ten Trans­for­ma­tion. Sie sind es, die die neuen Tech­nolo­gien ein­führen und umset­zen und die neuen Arbeitsweisen und ‑meth­o­d­en entwick­eln müssen. Dabei ste­hen sie vor der Her­aus­forderung, diese Verän­derun­gen in ein­er Weise zu bewälti­gen, die sowohl für das Unternehmen als auch für die Mitar­bei­t­erin­nen und Mitar­beit­er vorteil­haft ist. Eine zen­trale Rolle spielt dabei das Konzept der nach­halti­gen Arbeit. Nach­haltige Arbeit ist men­schen­gerecht und zielt darauf ab, das Erwerb­sver­mö­gen der Mitar­bei­t­erin­nen und Mitar­beit­er langfristig zu erhalten.

Sie berück­sichtigt das Wech­selver­hält­nis zwis­chen Arbeit, der ökol­o­gis­chen und sozialen Lebens­grund­lage und wirtschaftlich­er Pro­duk­tiv­ität. Nach­haltige Arbeit ist somit sowohl Mit­tel als auch Ziel der Trans­for­ma­tion auf betrieblich­er Ebene.

1.3.4 Beschäftigungsfähigkeit als Voraussetzung und Ziel von Transformation

Angesichts des demografis­chen Wan­dels und des damit ver­bun­de­nen sink­enden Erwerb­sper­so­n­en­poten­zials ist es wichtig, den Fokus auf den Erhalt der Beschäf­ti­gungs­fähigkeit und ‑moti­va­tion zu leg­en. Es gilt, in allen Branchen und Berufen nach­haltige Arbeit und attrak­tive Arbeits­be­din­gun­gen zu schaf­fen, um den wach­senden Bedarf an Arbeits- und Fachkräften zu decken.

1.3.5 Bedarfsgerechte und transparente Weiterbildungsstrukturen

Die Anpas­sung von Kom­pe­ten­zen und Qual­i­fika­tio­nen ist eine wesentliche Voraus­set­zung für die erfol­gre­iche Bewäl­ti­gung der dop­pel­ten Trans­for­ma­tion. Es ist wichtig, Weit­er­bil­dung als vierte Säule des deutschen Bil­dungssys­tems zu etablieren und indi­vidu­elle und betriebliche Hemm­nisse bei der Weit­er­bil­dungs­beteili­gung abzubauen. Die Förderung von lebenslangem Ler­nen und die Entwick­lung von Kom­pe­ten­zen, die für die dig­i­tale und ökol­o­gis­che Trans­for­ma­tion rel­e­vant sind, soll­ten im Mit­telpunkt der Weit­er­bil­dungsstrate­gien stehen.

1.3.6 Tragfähige Rahmenbedingungen in einer flexiblen Arbeitswelt

Die dop­pelte Trans­for­ma­tion kann neue Möglichkeit­en für flex­i­ble Lösun­gen auf betrieblich­er Ebene eröff­nen. Es ist wichtig, diese Poten­ziale in der Aus­gestal­tung von Arbeit­sort, ‑zeit und ‑organ­i­sa­tion zu nutzen, um sowohl die Flex­i­bil­ität der Unternehmen als auch der Beschäftigten zu fördern. Flex­i­bil­ität kann dazu beitra­gen, die Arbeit­szufrieden­heit und Pro­duk­tiv­ität zu erhöhen und gle­ichzeit­ig die Vere­in­barkeit von Beruf und Pri­vatleben zu verbessern.

1.3.7 Sektorübergreifende Kooperation für soziale Sicherheit in der Transformation

Die Trans­for­ma­tion stellt vielfältige Her­aus­forderun­gen an die soziale Sicher­heit. Es bedarf Strate­gien, die dazu beitra­gen kön­nen, indi­vidu­elle Risiken infolge von Trans­for­ma­tion­sprozessen und deren gesellschaftliche Kon­se­quen­zen zu min­imieren. Eine sek­torüber­greifende Zusam­me­nar­beit kann dazu beitra­gen, diese Her­aus­forderun­gen zu bewälti­gen und eine soziale Sicher­heit zu gewährleis­ten, die den Bedürfnis­sen ein­er sich verän­dern­den Arbeitswelt gerecht wird.

1.3.8 Das Arbeitsweltportal: Eine Ressource für die Zukunft der Arbeit

Das Arbeitswelt­por­tal ist eine wertvolle Ressource für alle, die sich für die Zukun­ft der Arbeit inter­essieren. Es bietet eine Fülle von Infor­ma­tio­nen, Dat­en und Fak­ten rund um die Arbeitswelt und analysiert ver­schiedene Fak­toren, die Umbrüche in der Arbeitswelt verur­sachen. Mit seinen Info­grafiken, inter­ak­tiv­en Datensets, Inter­views und Diskus­sio­nen bietet das Por­tal eine aus­ge­wo­gene Per­spek­tive auf die Entwick­lun­gen in der Arbeitswelt.

1.3.9 Fazit und Ausblick

Die dop­pelte Trans­for­ma­tion der Arbeitswelt ist eine Her­aus­forderung, die wir gemein­sam bewälti­gen müssen. Der Arbeitswelt-Report 2023 bietet wertvolle Ein­blicke und Empfehlun­gen, wie wir diese Her­aus­forderung bewälti­gen kön­nen. Es ist an der Zeit, dass wir diese Empfehlun­gen in die Prax­is umset­zen und eine Arbeitswelt schaf­fen, die sowohl den Bedürfnis­sen der Unternehmen als auch der Beschäftigten gerecht wird. Für Betrieb­sräte und andere betriebliche Akteure bietet der Bericht eine Fülle von Infor­ma­tio­nen und Anre­gun­gen, wie sie ihre Rolle in der Trans­for­ma­tion der Arbeitswelt gestal­ten kön­nen. Es ist an der Zeit, dass wir diese Trans­for­ma­tion als Chance begreifen und die Weichen für eine nach­haltige, men­schen­gerechte und zukun­fts­fähige Arbeitswelt stellen.

1.3.10 Quellen:

Artikel zum Arbeitswelt Bericht 2023 auf der ibp.Betriebsratscloud:

1.4 Die sich wandelnden Kompetenzanforderungen: Einblicke aus der KOFA-Studie 2/2023

In ein­er aktuellen Studie, die im Mai 2023 vom Kom­pe­tenzzen­trum Fachkräftesicherung (KOFA) veröf­fentlicht wurde, wird der Zusam­men­hang zwis­chen ökol­o­gis­ch­er Nach­haltigkeit und per­son­alpoli­tis­chen Maß­nah­men in Unternehmen untersucht.

Die Studie zeigt, dass viele Unternehmen ihre Pro­duk­te, Dien­stleis­tun­gen und Arbeit­sprozesse bere­its an ökol­o­gis­ch­er Nach­haltigkeit aus­richt­en. Allerd­ings kön­nte der Fachkräfte­man­gel den ökol­o­gis­chen Wan­del hem­men, da sechs von zehn Unternehmen den all­ge­meinen Per­son­al- und Fachkräfte­man­gel sowie fehlen­des Wis­sen als Her­aus­forderung für mehr ökol­o­gis­che Nach­haltigkeit sehen.

Die Studie zeigt eben­falls, dass die Anforderun­gen an die Kom­pe­ten­zen der Mitar­beit­er sich verän­dern und dass Unternehmen Strate­gien entwick­eln müssen, um diesen Her­aus­forderun­gen zu begegnen.

Weit­ere Ein­blicke und Details find­en Sie in unserem voll­ständi­gen Artikel:

1.5 Zukunftskompetenzen: Schlüsselqualifikationen für die Arbeitswelt von morgen

In ein­er sich ständig verän­dern­den Arbeitswelt, sowohl in der Pri­vatwirtschaft als auch im öffentlichen Sek­tor, sind bes­timmte Fähigkeit­en und Ken­nt­nisse uner­lässlich, um Schritt zu hal­ten und erfol­gre­ich zu sein. Diese Fähigkeit­en, die als “Zukun­ft­skom­pe­ten­zen” beze­ich­net wer­den, sind Schlüs­selqual­i­fika­tio­nen, die in der Arbeitswelt von mor­gen von entschei­den­der Bedeu­tung sein wer­den. Sie umfassen insbesondere

  • dig­i­tale Kompetenz,
  • ökol­o­gis­ches Bewusstsein,
  • kri­tis­ches Denken,
  • Kreativ­ität
  • emo­tionale Intel­li­genz und
  • Anpas­sungs­fähigkeit.

Unternehmen, Bil­dung­sein­rich­tun­gen, öffentliche Ein­rich­tun­gen und Einzelper­so­n­en spie­len alle eine entschei­dende Rolle bei der Förderung dieser Kompetenzen.

1.6 Die Rolle des Betriebsrats in der digitalen Transformation: Einblicke aus der Hans-Böckler-Studie

In ein­er aktuellen Studie der Hans-Böck­ler-Stiftung mit dem Titel “Betrieb­sräte in der dop­pel­ten Trans­for­ma­tion” wurde die Rolle von Betrieb­sräten in der dig­i­tal­en Trans­for­ma­tion untersucht.

Die Studie, die neun Betrieb­srats­gremien bei der Gestal­tung ihrer dig­i­tal­en Trans­for­ma­tion begleit­et hat, zeigt, dass Betrieb­sräte eine entschei­dende Rolle bei der Gestal­tung der dig­i­tal­en Trans­for­ma­tion spie­len kön­nen. Sie kön­nen dazu beitra­gen, die Auswirkun­gen der dig­i­tal­en Trans­for­ma­tion auf die Beschäftigten zu mildern und gle­ichzeit­ig die Wet­tbe­werb­s­fähigkeit des Unternehmens zu stärken. Die Studie betont auch die Bedeu­tung von Weit­er­bil­dung und Qual­i­fizierung im Kon­text der dig­i­tal­en Transformation.

  1. ESG Report­ing: 25 Fak­ten über ESG und Bericht­spflicht, die Sie wis­sen müssen | INDUSTRIEMAGAZIN
  2. Kün­stliche Intel­li­genz: Ver­mes­sung bis ins Inner­ste | Netzpolitik.org
  3. Fachkräfte­man­gel: Arbeit muss attrak­tiv­er wer­den | ZEIT ONLINE
  4. Arbeit­szeit: Macht uns die 4‑Tage-Woche pro­duk­tiv­er und gesün­der? | BR.de
  5. Geringe Arbeit­szeit schwächt den Stan­dort Deutsch­land — iwd.de
  6. Arbeit­szeit: und Zeit­er­fas­sung: Sieben Irrtümer — was gilt und was nicht? | RND
  7. Arbeit­szeit per Gesetz | Deutschlandfunk
  8. Über­stun­den kön­nen krank machen: „Gesund­heit­srisiko Per­sonal­man­gel“ | Merkur.de
  9. Arbeit­szeit­er­fas­sung: Das Land ver­weigert ein Gesetz | WELT
  10. Müdigkeit, Mat­tigkeit und Erschöp­fung: Höher­er Kranken­stand in Beruf­s­grup­pen mit Per­sonal­man­gel | Tagesspiegel
  11. Führungstrends der Zukun­ft – Der Wun­sch nach mehr Gefühl | Team Gesundheit

2. Aktuelle Gesetzesänderungen

Seit dem Jahr 2020 wur­den in Deutsch­land zahlre­iche Geset­zesän­derun­gen auf dem Gebi­et des Arbeits- und Betrieb­sver­fas­sungsrechts einge­führt. Diese haben weitre­ichende Auswirkun­gen auf Arbeit­nehmer, Arbeit­ge­ber und Betrieb­sräte. Beson­ders bedeu­tend waren Neuregelun­gen in den Bere­ichen des Min­dest­lohns, des Min­dest­lohns für Auszu­bildende, der Erweiterung des Kurzarbeit­ergeldes, der Dig­i­tal­isierung von Krankmel­dung und Arbeit­slosen­mel­dung sowie Steuer­erle­ichterun­gen im Arbeitsrecht.

Obwohl wir uns in diesem Skript haupt­säch­lich auf die neuesten Änderun­gen konzen­tri­eren wer­den, möcht­en wir zu Beginn unser­er Betra­ch­tung das soge­nan­nte “Arbeit-von-mor­gen-Gesetz” hervorheben.

Obwohl dieses Gesetz bere­its im Jahr 2020 in Kraft getreten ist, stellt es den Beginn ein­er bedeu­ten­den geset­zlichen Entwick­lung dar, die die Arbeitswelt in Deutsch­land nach­haltig verän­dert hat und weit­er­hin verändert.

2.1 Das Arbeit-von-morgen-Gesetz

Das Arbeit-von-mor­gen-Gesetz ist eine Schlüs­sel­maß­nahme der Bun­desregierung, um Arbeit­nehmer und Unternehmen in Deutsch­land auf den tech­nol­o­gis­chen Struk­tur­wan­del und die daraus resul­tieren­den Her­aus­forderun­gen vorzubereiten.

Durch eine ver­stärk­te Förderung von Weit­er­bil­dung und Qual­i­fizierung zielt das Gesetz darauf ab, die Anpas­sungs­fähigkeit und Wet­tbe­werb­s­fähigkeit des deutschen Arbeits­mark­tes zu stärken.

2.1.1 Einleitung

Obwohl das Gesetz bere­its 2020 in Kraft getreten ist, sind die Auswirkun­gen und Imp­lika­tio­nen nach wie vor sehr rel­e­vant. Darüber hin­aus legt es den Grund­stein für viele der neueren Geset­zesän­derun­gen, die wir in diesem Skript disku­tieren werden.

2.1.1.1 Hintergrund und Zielsetzung des Gesetzes

Das “Arbeit-von-mor­gen-Gesetz”, ursprünglich im Feb­ru­ar 2020 unter der alten Bun­desregierung auf den Weg gebracht, stellt einen wichti­gen Schritt zur Verbesserung der Arbeits­mark­t­poli­tik und zur Bewäl­ti­gung der Her­aus­forderun­gen der dig­i­tal­en Trans­for­ma­tion in Deutsch­land dar. Das Gesetz zielt darauf ab, die Arbeits­förderung zu stärken, die Weit­er­bil­dung zu fördern und das Kurzarbeit­ergeld flex­i­bler und effek­tiv­er zu gestalten.

2.1.1.2 Bedeutung für den Arbeitsmarkt und Betriebsverfassungsrecht

Das Gesetz hat erhe­bliche Auswirkun­gen auf den Arbeits­markt und die Arbeitswelt. Es ermöglicht es Arbeit­nehmern, ihre Fähigkeit­en und Qual­i­fika­tio­nen durch Weit­er­bil­dung zu verbessern, um den Anforderun­gen des dig­i­tal­en Zeital­ters gerecht zu wer­den. Darüber hin­aus stärkt es die Rolle der Betrieb­sräte in Fra­gen der Qual­i­fizierung und Weiterbildung.

2.1.2 Hauptbestandteile des Gesetzes

2.1.2.1 Arbeitsförderung
2.1.2.1.1 Betriebliche Weiterbildung

Das Gesetz ermöglicht es Unternehmen, bei der Durch­führung betrieblich­er Weit­er­bil­dungs­maß­nah­men finanzielle Unter­stützung zu erhal­ten. Durch die Anpas­sung des § 81 des Drit­ten Buch­es Sozialge­set­zbuch (SGB III) wurde das Instru­ment der Förderung betrieblich­er Weit­er­bil­dung gestärkt.

2.1.2.1.2 Außerbetriebliche Weiterbildung

Für die außer­be­triebliche Weit­er­bil­dung bietet das Gesetz eben­falls Unter­stützung, indem es den Zugang zu Weit­er­bil­dungs­maß­nah­men erle­ichtert und die Kostenüber­nahme durch die Bun­de­sagen­tur für Arbeit ermöglicht.

2.1.2.1.3 Unterstützung bei der Eingliederung von Arbeitslosen

Das Gesetz verbessert die Möglichkeit­en zur Unter­stützung von Arbeit­slosen bei ihrer Eingliederung in den Arbeits­markt. Durch die Anpas­sung von § 16 SGB III wird das Eingliederungs­man­age­ment verbessert und erweitert.

2.1.2.2 Reform des Kurzarbeitergeldes
2.1.2.2.1 Flexibilität in Krisenzeiten

Das Gesetz ermöglicht es Unternehmen, in Krisen­zeit­en flex­i­bler auf wirtschaftliche Schwankun­gen zu reagieren. Durch die Änderun­gen im § 95 SGB III wird die Flex­i­bil­ität des Kurzarbeit­ergeldes erhöht und eine schnellere Anpas­sung an wirtschaftliche Verän­derun­gen ermöglicht.

2.1.2.2.2 Verlängerung der Bezugsdauer

Die max­i­male Bezugs­dauer für das Kurzarbeit­ergeld wurde auf 24 Monate ver­längert. Dadurch haben Unternehmen mehr Zeit, sich von wirtschaftlichen Schwierigkeit­en zu erholen.

2.1.2.3 Qualifizierung von Arbeitnehmern
2.1.2.3.1 Anspruch auf Weiterbildungsberatung

Das Gesetz stärkt das Recht der Arbeit­nehmer auf Beratung zur beru­flichen Entwick­lung. Jed­er Arbeit­nehmer hat nun einen Anspruch auf eine Weit­er­bil­dungs­ber­atung durch die Bun­de­sagen­tur für Arbeit (§ 45 SGB III).

2.1.2.3.2 Möglichkeit zur Teilnahme an Weiterbildungsmaßnahmen

Arbeit­nehmer haben nun das Recht, an Weit­er­bil­dungs­maß­nah­men teilzunehmen, wenn diese zur Sicherung ihres Arbeit­splatzes notwendig sind oder wenn sie von Arbeit­slosigkeit bedro­ht sind (§ 81 SGB III).

2.1.3 Rolle der Betriebsräte bei Weiterbildung

2.1.3.1 Initiativrecht zur Einführung von Qualifizierungsmaßnahmen

Das Gesetz stärkt die Rolle der Betrieb­sräte bei der Weit­er­bil­dung. Sie haben jet­zt ein Ini­tia­tivrecht zur Ein­führung von Qual­i­fizierungs­maß­nah­men und kön­nen aktiv Vorschläge zur Verbesserung der Qual­i­fizierung im Betrieb ein­brin­gen (§ 97 BetrVG).

2.1.3.2 Beteiligung bei Planung und Durchführung von Weiterbildungsmaßnahmen

Die Betrieb­sräte sind nun stärk­er in die Pla­nung und Durch­führung von Weit­er­bil­dungs­maß­nah­men ein­be­zo­gen. Sie haben das Recht, bei der Fes­tle­gung von Qual­i­fizierungszie­len und bei der Auswahl von Weit­er­bil­dungs­maß­nah­men mitzuwirken (§ 98 BetrVG).

2.1.4 Ausbau der Assistierten Ausbildung

2.1.4.1 Unterstützung für junge Menschen mit Schwierigkeiten bei der Ausbildung

Das Gesetz verbessert die Unter­stützung für junge Men­schen, die Schwierigkeit­en bei der Aus­bil­dung haben. Durch die Änderun­gen im SGB III wird die assistierte Aus­bil­dung aus­ge­baut und verbessert.

2.1.5 Schlussfolgerungen und Ausblick

2.1.5.1 Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt und die Arbeitswelt

Das Arbeit-von-mor­gen-Gesetz ist ein wichtiger Schritt in Rich­tung ein­er zukun­fts­fähi­gen Arbeitswelt. Es fördert die Weit­er­bil­dung und Qual­i­fizierung der Arbeit­nehmer und bietet Unternehmen mehr Flex­i­bil­ität in Krisen­zeit­en. Darüber hin­aus stärkt es die Rolle der Betrieb­sräte in Fra­gen der Qual­i­fizierung und Weiterbildung.

2.1.5.2 Relevanz für Betriebsräte und Unternehmen

Für Betrieb­sräte und Unternehmen ist es wichtig, die Möglichkeit­en und Vorteile, die das Gesetz bietet, zu ken­nen und zu nutzen. Nur so kön­nen sie ihre Rolle in der Gestal­tung der Arbeit von mor­gen effek­tiv wahrnehmen und einen pos­i­tiv­en Beitrag zur Weit­er­en­twick­lung der Arbeitswelt leisten.

2.2 Novellierung des Berufsbildungsgesetzes 2020

Das Berufs­bil­dungs­ge­setz (BBiG) wurde im Jahr 2020 nov­el­liert und trat am 1. Jan­u­ar 2020 in Kraft. Mit dieser Nov­el­lierung des BBiG wurde das duale Aus­bil­dungssys­tem mod­ernisiert und an die Bedürfnisse des dig­i­tal­en Zeital­ters angepasst.

2.2.1 Einführung neuer Abschlussbezeichnungen

Mit der Nov­el­lierung wur­den neue Abschluss­beze­ich­nun­gen einge­führt, um die Gle­ich­w­er­tigkeit von beru­flich­er und akademis­ch­er Bil­dung zu unter­stre­ichen. Ab sofort gibt es neben dem “Gesellen” (Berufs­beze­ich­nung nach Abschluss ein­er Beruf­saus­bil­dung) den “Fachar­beit­er” und den “Spezial­is­ten” (Berufs­beze­ich­nun­gen nach Abschluss ein­er Fortbildung).

2.2.2 Verbesserung der Durchlässigkeit im Bildungssystem

Die Durch­läs­sigkeit im Bil­dungssys­tem wurde verbessert, indem es Beruf­stäti­gen erle­ichtert wurde, einen Beruf­s­ab­schluss nachzu­holen. Zudem wur­den die Möglichkeit­en zur Anrech­nung von beru­flichen Kom­pe­ten­zen auf Hochschul­stu­di­engänge erweitert.

2.2.3 Stärkung der Qualität in der Berufsausbildung

Die Qual­ität in der Beruf­saus­bil­dung wurde gestärkt, indem die Eig­nung von Aus­bil­dungs­be­trieben stärk­er in den Fokus gerückt wurde. Die Aus­bil­dungs­be­triebe müssen nun nach­weisen, dass sie über aus­re­ichend qual­i­fiziertes Per­son­al ver­fü­gen und dass die Aus­bil­dung nach den anerkan­nten Stan­dards durchge­führt wird.

2.2.4 Förderung der Mobilität von Auszubildenden

Die Mobil­ität von Auszu­bilden­den wurde gefördert, indem die Möglichkeit­en für Aus­land­saufen­thalte während der Beruf­saus­bil­dung verbessert wurden.

Diese Neuerun­gen im Berufs­bil­dungs­ge­setz bieten sowohl für Auszu­bildende als auch für Betriebe neue Möglichkeit­en und tra­gen dazu bei, die Attrak­tiv­ität und Qual­ität der dualen Beruf­saus­bil­dung zu stärken.

2.3 Qualifizierungschancengesetz

Das Qual­i­fizierungschan­cenge­setz trat am bere­its am1. Jan­u­ar 2019 in Kraft und wurde in den let­zten Jahren weit­er­en­twick­elt und angepasst. Dieses Gesetz zielt darauf ab, die Weit­er­bil­dungs­beteili­gung von Beschäftigten zu erhöhen und die Qual­i­fizierung von Arbeit­nehmern und Arbeit­nehmerin­nen zu fördern, um den Her­aus­forderun­gen der dig­i­tal­en Trans­for­ma­tion zu begegnen.

Haupt­merk­male des Qual­i­fizierungschan­cenge­set­zes sind:

2.3.1 Förderung der beruflichen Weiterbildung

Das Qual­i­fizierungschan­cenge­setz erweit­ert die Förderung der beru­flichen Weit­er­bil­dung. Es ermöglicht Arbeit­nehmern und Arbeit­nehmerin­nen, die vom tech­nol­o­gis­chen Wan­del betrof­fen sind, finanzielle Unter­stützung für beru­fliche Weit­er­bil­dungs­maß­nah­men zu erhalten.

2.3.2 Beratungsangebote für Unternehmen

Das Gesetz sieht Beratungsange­bote für Unternehmen vor, um sie bei der Pla­nung und Durch­führung von Weit­er­bil­dungs­maß­nah­men zu unter­stützen. Ins­beson­dere kleine und mit­tlere Unternehmen (KMU) kön­nen von dieser Beratung prof­i­tieren, da sie oft nicht über die notwendi­gen Ressourcen für die Entwick­lung eigen­er Weit­er­bil­dung­spro­gramme verfügen.

2.3.3 Erweiterung des Kurzarbeitergeldes

Das Qual­i­fizierungschan­cenge­setz erweit­ert auch das Kurzarbeit­ergeld. Unternehmen, die von kon­junk­turellen Schwankun­gen betrof­fen sind, kön­nen nun Kurzarbeit­ergeld für ihre Beschäftigten beantra­gen, um Weit­er­bil­dungs­maß­nah­men während der Kurzarbeit­szeit zu finanzieren.

Das Qual­i­fizierungschan­cenge­setz ist ein wichtiges Instru­ment zur Förderung der beru­flichen Weit­er­bil­dung und zur Sicherung der Zukun­fts­fähigkeit des Arbeits­mark­tes. Es unter­stützt sowohl Arbeit­nehmer und Arbeit­nehmerin­nen als auch Unternehmen dabei, den Her­aus­forderun­gen des dig­i­tal­en Wan­dels aktiv zu begegnen.

2.4 Das Berufsbildungsgesetz (BBiG)

Das Berufs­bil­dungs­ge­setz (BBiG) stellt den rechtlichen Rah­men für die beru­fliche Bil­dung in Deutsch­land dar. Es bein­hal­tet die Regeln und Vorschriften für die duale Aus­bil­dung, die beru­fliche Fort­bil­dung und die beru­fliche Umschulung.

Im Jahr 2020 wurde das BBiG nov­el­liert und grundle­gend über­ar­beit­et. Diese Über­ar­beitung brachte eine Rei­he von wichti­gen Änderun­gen mit sich, die Auszu­bildende, Arbeit­ge­ber und Bil­dung­sein­rich­tun­gen direkt betreffen.

2.4.1 Änderungen durch die Novellierung 2020

Die Nov­el­lierung des BBiG im Jahr 2020 hat ins­beson­dere fol­gende Änderun­gen eingeführt:

2.4.2 Mindestvergütung für Auszubildende

Eine der sig­nifikan­testen Änderun­gen ist die Ein­führung eines Min­dest­lohns für Auszu­bildende. Ab 2020 müssen Arbeit­ge­ber Auszu­bilden­den im ersten Lehr­jahr eine Min­destvergü­tung von 515 Euro pro Monat zahlen. Die Min­destvergü­tung steigt in den fol­gen­den Jahren der Aus­bil­dung stufen­weise an.

2.4.3 Neue Abschlussbezeichnungen

Die Nov­el­lierung führte neue Abschluss­beze­ich­nun­gen ein, um die Gle­ich­w­er­tigkeit von beru­flich­er und akademis­ch­er Bil­dung zu beto­nen. So kön­nen Absol­ven­ten der beru­flichen Weit­er­bil­dung nun die Titel “Bach­e­lor Pro­fes­sion­al” oder “Mas­ter Pro­fes­sion­al” führen.

2.4.4 Verbesserte Freistellungsregelungen für den Berufsschulunterricht

Ein weit­eres wichtiges Ele­ment der Nov­el­lierung bet­rifft die Freis­tel­lungsregelun­gen für den Beruf­ss­chu­lun­ter­richt. Auszu­bildende, die an einem Beruf­ss­chul­t­ag min­destens fünf Unter­richtsstun­den à 45 Minuten haben, sind nun für den ganzen Tag von der Arbeit freigestellt.

2.4.5 Erleichterungen im Prüfungsbereich

Die Nov­el­lierung des BBiG hat auch Erle­ichterun­gen im Prü­fungs­bere­ich mit sich gebracht. Ins­beson­dere wur­den die Möglichkeit­en für das Able­gen von Teil­prü­fun­gen erweitert.

Das nov­el­lierte Berufs­bil­dungs­ge­setz trägt dazu bei, die Qual­ität der beru­flichen Bil­dung in Deutsch­land zu sich­ern und zu erhöhen. Es stärkt die Attrak­tiv­ität der dualen Aus­bil­dung und schafft bessere Bedin­gun­gen für Auszu­bildende und Arbeitgeber.

2.5 Betriebsrätemodernisierungsgesetz

2.5.1 Betriebsrätemodernisierungsgesetz — Welche Änderungen ergeben sich für die Betriebsratsarbeit?

Die Dig­i­tal­isierung und Mod­ernisierung der Arbeitswelt macht auch vor der Arbeit der Betrieb­sräte keinen Halt. Der deutsche Geset­zge­ber hat daher ver­sucht, diesen Trend auch in das Betrieb­sver­fas­sungs­ge­setz ein­fließen zu lassen.

Das Betrieb­sräte­mod­ernisierungs­ge­setz, welch­es im Mai vom Bun­destag und Bun­desrat ver­ab­schiedet wurde und am 18. Juni 2021 in Kraft getreten ist, bringt wichtige Neuerun­gen für die Betrieb­srat­sar­beit. Im Fol­gen­den wer­den die wichtig­sten Änderun­gen erläutert:

2.5.2 Virtuelle Sitzungen möglich – Präsenzsitzungen sollen aber Regelfall bleiben

Während der Coro­na-Pan­demie war es aus­nahm­sweise möglich, Sitzun­gen des Betrieb­srats virtuell abzuhal­ten. Das Betrieb­sräte­mod­ernisierungs­ge­setz ver­ankert nun die Möglichkeit virtueller Sitzun­gen im Betrieb­sver­fas­sungs­ge­setz. Allerd­ings bleiben Präsen­zsitzun­gen weit­er­hin der Regelfall. Die virtuelle Sitzung ist unter bes­timmten Voraus­set­zun­gen möglich:

  1. Die Möglichkeit der virtuellen Sitzung muss in der Geschäft­sor­d­nung ver­ankert sein.
  2. Es darf kein Wider­spruch von min­destens einem Vier­tel der Betrieb­sratsmit­glieder gegen eine virtuelle Sitzung bestehen.
  3. Es muss gewährleis­tet sein, dass keine anderen Per­so­n­en Ken­nt­nis vom Inhalt der Sitzun­gen nehmen können.

Zusät­zlich wurde klargestellt, dass jedes Mit­glied trotz virtueller Sitzung die Möglichkeit haben sollte, die Sitzung auch physisch zu besuchen. Die Präsen­zteil­nahme bleibt weit­er­hin erforder­lich, und die damit ver­bun­de­nen Kosten müssen vom Arbeit­ge­ber getra­gen werden.

2.5.3 Betriebsratswahlen vereinfacht und Kündigungsschutz verbessert

Das Betrieb­sräte­mod­ernisierungs­ge­setz bringt auch Vere­in­fachun­gen im Bere­ich der Betrieb­sratswahlen mit sich. Das vere­in­fachte Wahlver­fahren gilt nun verpflich­t­end bis zu ein­er Betrieb­s­größe von 100 Mitar­beit­ern (vorher 50 Mitar­beit­er). Für Betriebe mit 101 bis 200 Mitar­beit­ern kann das vere­in­fachte Wahlver­fahren auch vere­in­bart wer­den, wenn dies zwis­chen Wahlvor­stand und Arbeit­ge­ber fest­gelegt wird. Das vere­in­fachte Wahlver­fahren zielt darauf ab, die Hür­den und For­mal­itäten für die Grün­dung eines Betrieb­srats niedrigschwellig zu halten.

Zusät­zlich wurde der Kündi­gungss­chutz für Ini­tia­toren der Betrieb­srats­grün­dung erweit­ert. Vorher waren lediglich drei Ini­tia­toren ein­er Betrieb­sratswahl vor ein­er Kündi­gung geschützt. Mit dem Betrieb­sräte­mod­ernisierungs­ge­setz wurde die Zahl auf sechs erhöht. Allerd­ings gilt dieser erweit­erte Kündi­gungss­chutz nicht unmit­tel­bar für außeror­dentliche Kündigungen.

2.5.4 Verantwortlichkeit für den Datenschutz

Das Betrieb­sräte­mod­ernisierungs­ge­setz bein­hal­tet auch Regelun­gen zur Ver­ant­wortlichkeit für den Daten­schutz im Betrieb­srat. Nach Inkraft­treten der Daten­schutz-Grund­verord­nung (DSGVO) war umstrit­ten, wer für die Ver­ar­beitung per­so­n­en­be­zo­gen­er Dat­en inner­halb des Betrieb­srats daten­schutzrechtlich ver­ant­wortlich ist. Mit dem neuen § 79a BetrVG wird nun klargestellt, dass die Ver­ant­wortlichkeit im Sinne der daten­schutzrechtlichen Vorschriften beim Arbeit­ge­ber liegt.

2.5.5 Mitbestimmung bei der mobilen Arbeit

Des Weit­eren erhal­ten Betrieb­sräte durch § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG ein Mitbes­tim­mungsrecht bei der Gestal­tung der mobilen Arbeit. Dabei bet­rifft die mobile Arbeit nicht nur das Home­of­fice, son­dern auch die Möglichkeit für Arbeit­nehmer, an einem von ihnen bes­timmten Ort zu arbeit­en. Allerd­ings bezieht sich das Mitbes­tim­mungsrecht nur auf das “wie” der mobilen Arbeit, während das “ob” weit­er­hin vom Arbeit­ge­ber bes­timmt wird.

Das Betrieb­sräte­mod­ernisierungs­ge­setz bringt wichtige Änderun­gen für die Betrieb­srat­sar­beit mit sich, um sie an die Anforderun­gen der mod­er­nen Arbeitswelt anzu­passen. Es ist von großer Bedeu­tung, dass Betrieb­sräte und Arbeit­ge­ber diese Änderun­gen genau ken­nen und umset­zen, um eine rei­bungslose Zusam­me­nar­beit und die Wahrung der Rechte der Arbeit­nehmerin­nen und Arbeit­nehmer zu gewährleisten.

2.6 Neue Regelungen zum Urlaub und zur Absonderung im Infektionsschutzgesetz

Das Infek­tion­ss­chutzge­setz wurde kür­zlich um eine bedeu­tende Änderung erweit­ert, die den Umgang mit Urlaub und Abson­derung bet­rifft. Ins­beson­dere die Frage, ob Zeit­en der Abson­derung während des Urlaubs auf den Jahresurlaub­sanspruch angerech­net wer­den müssen, war bis­lang umstrit­ten. In diesem Artikel wer­den die Hin­ter­gründe, aktuelle Entwick­lun­gen und Auswirkun­gen der neuen Regelung erläutert.

2.6.1 Unklarheiten vor der Gesetzesänderung:

Vor der Geset­zesän­derung gab es keine ein­deutige Recht­sprechung oder Fach­lit­er­atur, die die Anrech­nung von Abson­derungszeit­en auf den Jahresurlaub­sanspruch klärte. Einige Experten argu­men­tierten, dass urlaub­sstörende Ereignisse zum per­sön­lichen Leben­srisiko des Arbeit­nehmers gehören. Andere befür­worteten hinge­gen die Anwen­dung von § 9 BUrlG, wonach der Urlaub während ein­er Erkrankung dem Arbeit­nehmer “gut­geschrieben wird”. Um Klarheit zu schaf­fen, wurde diese Frage vom Bun­de­sar­beits­gericht (BAG) dem Europäis­chen Gericht­shof (EuGH) vorgelegt.

2.6.2 Auswirkungen bei nicht erkrankten Arbeitnehmern:

Die Frage nach der Anrech­nung der Abson­derungszeit­en stellt sich jedoch nur, wenn der Arbeit­nehmer während der Abson­derung nicht erkrankt ist. Wenn ein Arbeit­nehmer sich mit dem Coro­na-Virus infiziert und arbeit­sun­fähig krank ist, find­et die Regelung des § 9 BUrlG direkt Anwen­dung. Allerd­ings ist noch nicht abschließend gek­lärt, ob ein Arbeit­nehmer auch dann als arbeit­sun­fähig erkrankt gilt, wenn er mit dem Covid-19-Virus infiziert ist, aber keine Symp­tome aufweist. Auf­grund der sel­te­nen Vorkomm­nisse solch­er Fälle gibt es keine klare Rechtsprechung.

2.6.3 Die neue Regelung und ihre Auswirkungen:

Der Geset­zge­ber hat mit­tler­weile reagiert und einen neuen § 59 IfSG ins Infek­tion­ss­chutzge­setz einge­fügt. Gemäß dieser Regelung wer­den die Tage der Abson­derung während des Urlaubs nicht auf den Jahresurlaub angerech­net. Diese Änderung trat am 17. Sep­tem­ber 2022 in Kraft und bringt Klarheit für zukün­ftige Fälle. Allerd­ings gilt diese Regelung nur für Abson­derun­gen auf­grund deutsch­er Rechtsvorschriften und nicht für aus­ländis­che Rechtsvorschriften.

2.6.4 Ausland und unklare Rechtslage:

Es gibt noch Unklarheit­en bei Fällen, in denen sich ein Arbeit­nehmer im Aus­land im Urlaub befind­et und nach dem Recht des entsprechen­den Lan­des in Abson­derung begeben muss. Die Regelung des § 59 IfSG gilt ein­deutig nur für Abson­derun­gen auf­grund deutsch­er Rechtsvorschriften. Hier kann die Entschei­dung des Europäis­chen Gericht­shofs von Bedeu­tung sein, um eine ein­heitliche Regelung zu gewährleisten.

2.6.5 Fazit

Die Änderung des Infek­tion­ss­chutzge­set­zes in Bezug auf Urlaub und Abson­derung bringt Klarheit für zukün­ftige Fälle, in denen Arbeit­nehmer während des Urlaubs auf­grund behördlich­er Anord­nun­gen oder des Infek­tion­ss­chutzge­set­zes in Quar­an­täne müssen. Die genaue Aus­gestal­tung der Regelung in Bezug auf erkrank­te und nicht erkrank­te Arbeit­nehmer sowie die Anwen­dung bei aus­ländis­chen Abson­derungs­maß­nah­men bleibt jedoch weit­er­hin Gegen­stand von Diskus­sio­nen und möglichen zukün­fti­gen Gericht­sentschei­dun­gen. Arbeit­ge­ber soll­ten die Entwick­lun­gen aufmerk­sam ver­fol­gen und gegebe­nen­falls ihre Vorge­hensweise anpassen, um rechtssich­er zu handeln.

2.7 Verlängerung des Kinder‑, Kranken- und Betreuungsgeldes

Die Regelung des § 45 SGB V, die das Kinder-Kranken­geld regelt, wird in mehreren Aspek­ten ver­längert. Zum einen beste­ht der Anspruch auf Kinder-Kranken­geld nach § 45 Abs. 2a SGB V für läng­stens 30 Arbeit­stage je Kind, bei Allein­erziehen­den für läng­stens 60 Arbeit­stage je Kind. Diese Regelung gilt nun auch für das gesamte Jahr 2023. Es gibt jedoch eine Begren­zung auf ins­ge­samt 65 bzw. 130 Arbeitstage.

Zusät­zlich wird der Anspruch auf Kinder-Kranken­geld zeitlich begren­zt bis zum 7. April 2023 auch dann gewährt, wenn das Kind nicht krank ist, son­dern auf­grund der Schließung der Betreu­ung­sein­rich­tung zu Hause betreut wer­den muss. Dies bedeutet, dass Eltern, die auf­grund der Betreu­ungssi­t­u­a­tion ihres Kindes nicht arbeit­en kön­nen, einen Anspruch auf Kinder-Kranken­geld haben.

Es gibt jedoch eine Ein­schränkung für den Anspruch auf Entschädi­gung bei nicht geset­zlich kranken­ver­sicherten Eltern­teilen und Kindern. Gemäß § 56 Abs. 1a IfSG beste­ht ein Entschädi­gungsanspruch für Arbeit­nehmer, jedoch ist dieser Anspruch nicht über den 23. Sep­tem­ber 2022 hin­aus ver­längert worden.

Diese Ver­längerun­gen des Kinder-Kranken­geldes und die Berück­sich­ti­gung der Betreu­ungssi­t­u­a­tion auf­grund von Schließun­gen der Betreu­ung­sein­rich­tun­gen sollen Eltern ent­las­ten und ihnen ermöglichen, sich um ihre Kinder zu küm­mern, ins­beson­dere während der anhal­tenden COVID-19-Pan­demie. Es ist jedoch wichtig zu beacht­en, dass der Anspruch auf Entschädi­gung für nicht geset­zlich kranken­ver­sicherte Eltern und Kinder nicht über den genan­nten Zeit­punkt hin­aus besteht.

2.8 Das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSCHG) – Umsetzung der EU-Whistleblower-Richtlinie

Das Hin­weis­ge­ber­schutzge­setz, das einen umfassenden Schutz für Hin­weis­ge­ber oder Whistle­blow­er vor­sieht, wurde am 2. Juni 2023 im Bun­des­ge­set­zblatt verkün­det. Damit tritt das Gesetz am 2. Juli 2023 in Kraft, nach­dem es zuvor vom Deutschen Bun­destag und Bun­desrat ver­ab­schiedet wurde.

Am 12. Mai 2023 hat der Bun­desrat das Gesetz ver­ab­schiedet, nur einen Tag nach­dem es bere­its vom Deutschen Bun­destag ver­ab­schiedet wurde. Die schnelle Ver­ab­schiedung zeigt das große Inter­esse und die Wichtigkeit, die dem Hin­weis­ge­ber­schutz beigemessen wird. Zuvor, am 10. Mai 2023, hat­te der Ver­mit­tlungsauss­chuss getagt und kon­nte sich auf einen zus­tim­mungs­fähi­gen Kom­pro­miss einigen.

Diese jüng­sten Entwick­lun­gen markieren einen Meilen­stein in der deutschen Geset­zge­bung zum Schutz von Hin­weis­ge­bern. Mit dem Inkraft­treten des Hin­weis­ge­ber­schutzge­set­zes im Juli 2023 wird Deutsch­land den Schutz für Whistle­blow­er weit­er stärken und sich­er­stellen, dass sie vor Repres­salien geschützt sind, wenn sie ille­gale Missstände aufdeck­en und melden. Das Gesetz schafft klare Rah­menbe­din­gun­gen für Unternehmen und Organ­i­sa­tio­nen und legt fest, dass interne Meldestellen vor­rangig genutzt wer­den sollen.

Durch die Bere­it­stel­lung von klaren und leicht zugänglichen Infor­ma­tio­nen über die Nutzung des inter­nen Melde­v­er­fahrens wer­den Unternehmen ange­hal­ten, Anreize zu schaf­fen, damit Hin­weis­ge­ber bevorzugt auf diese Kanäle zurück­greifen. Gle­ichzeit­ig sollen externe Meldestellen Hin­weis­ge­ber über die Möglichkeit ein­er inter­nen Mel­dung informieren.

Das Hin­weis­ge­ber­schutzge­setz erweit­ert den Anwen­dungs­bere­ich, indem es Ver­stöße sowohl gegen europäis­ches als auch nationales Recht abdeckt. Damit geht es über die Min­destanforderun­gen der EU-Hin­weis­ge­ber-Richtlin­ie hin­aus und schließt straf­be­wehrte oder bußgeld­be­wehrte Verge­hen ein, die die Gesund­heit oder das Leben gefährden.

Die neuen Regelun­gen sehen auch vor, dass anonyme Hin­weise bear­beit­et wer­den sollen, obwohl dies nicht verpflich­t­end ist. Die Empfehlung des Geset­zes zielt darauf ab, die Unsicher­heit von Hin­weis­ge­bern zu ver­ringern und ihnen die Möglichkeit zu geben, Missstände ohne Angst vor Repres­salien zu melden.

Zusät­zlich legt das Hin­SchG fest, dass Unternehmen zwis­chen 50 und 249 Mitar­bei­t­en­den Hin­weis­ge­ber­sys­teme teilen dür­fen, um die Kosten zu reduzieren. Auch Gesellschaften und Konz­erne kön­nen gemein­same Meldekanäle nutzen. Darüber hin­aus wird die Beweis­las­tumkehr zu Gun­sten des Hin­weis­ge­bers fest­geschrieben, um sie vor möglichen Repres­salien zu schützen.

Mit dem Hin­weis­ge­ber­schutzge­setz set­zt Deutsch­land ein deut­lich­es Zeichen für den Schutz von Hin­weis­ge­bern und fördert eine Kul­tur der Integrität und Ver­ant­wortlichkeit in Unternehmen und Organ­i­sa­tio­nen. Das Gesetz wird dazu beitra­gen, Missstände aufzudeck­en und die Ein­hal­tung von Recht und Ethik zu fördern.

2.9 Das Vereinbarkeitsrichtlinienumsetzungsgesetz (VRUG)

Das Vere­in­barkeit­srichtlin­ienum­set­zungs­ge­setz (VRUG), das am 24. Dezem­ber 2022 in Kraft trat, bringt Änderun­gen im Elternzeitrecht und im Pflegezeitrecht mit sich. Eine der neuen Regelun­gen bet­rifft die Begrün­dungspflicht des Arbeit­ge­bers bei der Ablehnung eines Antrags auf Elternzeit­teilzeit nach § 15 Abs. 5 des Bun­de­sel­tern­geld- und Elternzeit­ge­set­zes (BEEG). Diese Begrün­dungspflicht gilt nun auch für Klei­n­un­ternehmen mit weniger als 16 Arbeit­nehmern. Die Begrün­dung kann form­los erfol­gen und es wer­den keine hohen Anforderun­gen an den Inhalt gestellt.

Das Gesetz lässt jedoch offen, welche Fol­gen eine nicht frist­gerechte oder unbe­grün­dete Ablehnung hat. In § 15 Abs. 7 Satz 5 BEEG ist jedoch expliz­it geregelt, dass bei Arbeit­ge­bern mit mehr als 15 Beschäftigten eine nicht form- und frist­gerechte Ablehnung dazu führt, dass eine entsprechende Vere­in­barung als getrof­fen gilt. Für Klei­n­un­ternehmen mit 15 oder weniger Beschäftigten dürfte eine Ver­let­zung der Ablehnungspflicht fol­gen­los sein, da der Geset­zge­ber für das Kon­sensver­fahren keine entsprechen­den Fol­gen vorsieht.

Im Pflegezeit- und Fam­i­lienpflegezeit­ge­setz wird für Arbeit­ge­ber mit in der Regel 15 oder weniger Beschäftigten bzw. mit in der Regel 25 oder weniger auss­chließlich der zu ihrer Berufs­bil­dung Beschäftigten, also für Klein­be­triebe, die Verpflich­tung einge­führt, Anträge der Beschäftigten auf den Abschluss ein­er Vere­in­barung über eine Freis­tel­lung nach dem Pflegezeit- und Fam­i­lienpflegezeit­ge­setz inner­halb von 4 Wochen zu beant­worten und im Falle der Ablehnung zu begründen.

Beschäftigte von Arbeit­ge­bern mit in der Regel 15 oder weniger Beschäftigten haben keinen Recht­sanspruch auf die Inanspruch­nahme ein­er Pflegezeit nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Pflegezeit­ge­setz (PflegeZG) oder ein­er son­sti­gen Freis­tel­lung nach § 3 Abs. 5 Satz 1 oder Abs. 6 Satz 1 PflegeZG. Im Fall ein­er ein­vernehm­lichen Vere­in­barung ein­er solchen Freis­tel­lung kön­nen ihnen jedoch gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 Fam­i­lienpflegezeit­ge­setz (FamPflZG) auf Antrag zinslose Dar­lehen gewährt wer­den. Mit der neuen Regelung des § 3 Abs. 6a PflegeZG wird klargestellt, dass auch Beschäftigte bei Arbeit­ge­bern mit in der Regel 15 oder weniger Beschäftigten den Abschluss ein­er Vere­in­barung über eine Pflegezeit oder eine son­stige Freis­tel­lung beantra­gen kön­nen. Die Antwort des Arbeit­ge­bers auf den Antrag muss inner­halb von 4 Wochen erfol­gen und im Falle ein­er Ablehnung muss diese begrün­det wer­den. Eine unterbliebene Antwort oder eine nicht sach­lich begrün­dete Ablehnung führt jedoch nicht zur Zus­tim­mung des Arbeit­ge­bers zur beantragten Freistellung.

In Klei­n­un­ternehmen mit nicht mehr als 15 bzw. 25 Beschäftigten beste­ht der beson­dere Kündi­gungss­chutz für Beschäftigte in Pflegezeit erst mit Beginn der Freis­tel­lung und nicht bere­its mit der Antragstellung.

Diese Änderun­gen sollen die Vere­in­barkeit von Elternzeit und Pflegezeit mit der beru­flichen Tätigkeit erle­ichtern und für mehr Trans­parenz und Schutz der Beschäftigten sorgen.

2.10 Anpassung des Mindestlohns

Seit dem 01. Jan­u­ar 2024 beträgt der geset­zliche Min­dest­lohn 12,41 Euro brut­to je tat­säch­lich geleis­teter Arbeitsstunde. Im Jan­u­ar 2025 wird er auf 12,82 Euro steigen.

2.10.1 Auszubildende:

Für Auszu­bildende liegt der Min­dest­be­trag im Jahr 2023 bei 620 Euro. Und der Grund­be­trag muss min­destens ein­mal jährlich ansteigen.

2.10.2 Für Mini- und Midi- Jobs:

Für Mini­job­ber wird die ger­ingfügige Beschäf­ti­gung aus dem 520 Euro-Job ein 538 Euro-Job. Für Midi-Jobs ändert sich dadurch die Ent­geltspanne auf monatlich 538,01 Euro bis 2000 Euro.

2.10.3 Im Pflegebereich:

Der Min­dest­lohn wurde im Okto­ber 2022 auf 12 Euro pro Stunde erhöht. Deswe­gen wird es im Jahr 2023 keine weit­ere Erhöhung geben, außer im Pflege­bere­ich, dort wird der Min­dest­lohn im Jahr 2023 stufen­weise erhöht. Die Anhebung richtet sich welche Aus­bil­dung die jew­eilige Pflegekraft absolviert hat. Die erste Stufe soll zum Mai 2023 und die zweite Stufe soll zum Dezem­ber 2023 erfolgen.

2.11 Änderungen im Nachweisgesetz

Das Nach­weis­ge­setz (Nach­wG) wurde zum 1. August 2022 in ein­er neuen Fas­sung einge­führt. Das Ziel der Geset­zesän­derung beste­ht darin, trans­par­ente und ver­lässliche Arbeits­be­din­gun­gen für Arbeit­nehmer durch umfassende Infor­ma­tions- und Doku­men­ta­tion­spflicht­en seit­ens der Arbeit­ge­ber zu schaf­fen. Sowohl neue als auch beste­hende Arbeitsver­hält­nisse sind von den Neuerun­gen betroffen.

Eine der wesentlichen Änderun­gen bet­rifft den Umfang der Ver­trags­be­din­gun­gen, die dem Arbeit­nehmer bekan­nt­gegeben wer­den müssen. Zudem wur­den die Fris­ten für die Nach­weispflicht angepasst. Das Gesetz sieht außer­dem empfind­liche Sank­tio­nen durch Auf­sichts­be­hör­den vor, falls der Arbeit­ge­ber seinen geset­zlichen Verpflich­tun­gen nicht nachkommt.

Die wichtig­sten Änderun­gen im Überblick:

  • Der Nach­weis umfasst nun die wesentlichen Ver­trags­be­din­gun­gen für Arbeitsver­hält­nisse, die ab dem 1. August 2022 schriftlich niedergelegt wer­den müssen. Dazu gehören unter anderem der Name und die Anschrift der Ver­tragsparteien, der Beginn des Arbeitsver­hält­niss­es, die Arbeit­szeit, die Tätigkeits­beschrei­bung, das Arbeit­sent­gelt sowie weit­ere spez­i­fis­che Angaben je nach Art des Arbeitsverhältnisses.
  • Bei Aus­land­stätigkeit­en mit ein­er Dauer von mehr als 4 Wochen müssen zusät­zliche Angaben, wie das Land der Aus­land­stätigkeit, die geplante Dauer, die Ent­loh­nungswährung und weit­ere Infor­ma­tio­nen, schriftlich fest­ge­hal­ten wer­den. Bei Entsendun­gen gemäß der Entsenderichtlin­ie sind auch der Min­dest­lohn des Entsende­landes und Infor­ma­tio­nen zu den gel­tenden Arbeits- und Beschäf­ti­gungs­be­din­gun­gen mitzuteilen.
  • Der Nach­weis muss vom Arbeit­ge­ber schriftlich auf Papi­er erfol­gen und im Orig­i­nal unterze­ich­net wer­den. Elek­tro­n­is­che oder mündliche For­men sind nicht zuläs­sig. Es ist jedoch zu beacht­en, dass der Nach­weis lediglich eine Zusam­men­fas­sung der bere­its beste­hen­den arbeitsver­traglichen Bedin­gun­gen ist und keine Änderung des Arbeitsver­trags darstellt.
  • Es gel­ten unter­schiedliche Fris­ten für die Aushändi­gung des Nach­weis­es, je nach­dem, ob es sich um ein neues oder bere­its beste­hen­des Arbeitsver­hält­nis han­delt. Neue Arbeit­nehmer müssen die wesentlichen Arbeits­be­din­gun­gen in einem schriftlichen Doku­ment erhal­ten, entwed­er am ersten Tag der Arbeit­sleis­tung oder spätestens am siebten Kalen­dertag nach Beginn des Arbeitsver­hält­niss­es. Bere­its beschäftigte Arbeit­nehmer kön­nen vom Arbeit­ge­ber ver­lan­gen, dass sie schriftlich über die wesentlichen Arbeits­be­din­gun­gen informiert wer­den, und es gel­ten ähn­liche Fristen.
  • Ver­stöße gegen die Doku­men­ta­tions- und Nach­weispflicht­en kön­nen als Ord­nungswidrigkeit­en betra­chtet wer­den und mit Bußgeldern von bis zu 2.000 € geah­n­det werden.

Es ist wichtig zu beacht­en, dass der Nach­weis lediglich die Sichtweise des Arbeit­ge­bers wider­spiegelt. Falls es zu Unstim­migkeit­en über die gel­tenden Arbeits­be­din­gun­gen zwis­chen Arbeit­ge­ber und Arbeit­nehmer kommt, müsste gek­lärt wer­den, was genau im Arbeitsver­trag fest­ge­hal­ten ist.

Ins­ge­samt bietet das neue Nach­weis­ge­setz Arbeit­nehmern die Möglichkeit, trans­par­entere und ver­lässlichere Arbeits­be­din­gun­gen zu erhal­ten. Es schafft Klarheit und fördert die Rechtssicher­heit sowohl für Arbeit­ge­ber als auch Arbeitnehmer.

2.12 Änderungen im Teilzeit- und Befristungsgesetz

Seit dem 1. August 2022 gel­ten Änderun­gen im Teilzeit- und Befris­tungs­ge­setz (TzBfG), die sich auf die Dauer der Probezeit in befris­teten Arbeitsver­hält­nis­sen, die Arbeit auf Abruf und den Wun­sch nach Ver­längerung der Arbeit­szeit oder Ent­fris­tung beziehen.

2.12.1 Dauer der Probezeit im befristeten Arbeitsverhältnis

Gemäß § 15 Abs. 3 TzBfG muss eine vere­in­barte Probezeit in einem befris­teten Arbeitsver­hält­nis nun im Ver­hält­nis zur erwarteten Dauer der Befris­tung und zur Art der Tätigkeit ste­hen. Dies entspricht den Vor­gaben von Art. 8 Abs. 2 Satz 1 der EU-Arbeits­be­din­gun­gen­richtlin­ie. Ist die Dauer der vere­in­barten Probezeit unver­hält­nis­mäßig, gilt diese als nicht wirk­sam vere­in­bart, und die verkürzte Kündi­gungs­frist des § 622 Abs. 3 TzBfG greift nicht. Dies kann dazu führen, dass die Kündi­gungsmöglichkeit ganz ent­fällt, wenn sich diese Möglichkeit nicht aus anderen Vorschriften des befris­teten Arbeitsver­hält­niss­es ergibt.

2.12.2 Arbeit auf Abruf

Nach der Neuregelung von § 12 Abs. 3 TzBfG ist der Arbeit­ge­ber verpflichtet, den Zeitrah­men festzule­gen, in dem auf seine Auf­forderung hin Arbeit stat­tfind­en kann. Der Arbeit­nehmer ist nur zur Arbeit­sleis­tung verpflichtet, wenn der Arbeit­ge­ber ihm die Lage sein­er Arbeit­szeit min­destens 4 Tage im Voraus mit­teilt und die Arbeit­sleis­tung im zuvor fest­gelegten Zeitrah­men zu erfol­gen hat. Hat der Arbeit­ge­ber die Fes­tle­gung des Ref­erenzzeitraums unter­lassen, beste­ht für den Arbeit­nehmer keine Arbeitspflicht.

2.12.3 Wunsch der Verlängerung der Arbeitszeit und Entfristungswunsch

Seit dem 1.8.2022 hat der Arbeit­ge­ber einem Teilzeit-Arbeit­nehmer, der ihm den Wun­sch nach Verän­derung von Dauer oder Lage sein­er ver­traglich vere­in­barten Arbeit­szeit angezeigt hat, inner­halb eines Monats nach Zugang der Anzeige eine begrün­dete Antwort in Textform mitzuteilen (§ 7 Abs. 2 Satz 1 TzBfG). Ähn­lich ver­hält es sich mit dem Wun­sch nach einem unbe­fris­teten Arbeitsver­trag (§ 18 Abs. 2 TzBfG). In bei­den Fällen sieht das Gesetz keine Rechts­folge vor, wenn der Arbeit­ge­ber die Pflicht zur Antwort nicht oder nicht ord­nungs­gemäß erfüllt. Denkbar wären jedoch Schadenser­satzansprüche des Arbeitnehmers.

3. Bevorstehende Gesetzesänderungen

3.1 Die Auswirkungen des geplanten EU Artificial Intelligence Act auf das Arbeitsrecht

Kün­stliche Intel­li­genz (KI) hat sich zu einem inte­gralen Bestandteil unser­er Arbeitswelt entwick­elt. Die Europäis­che Union (EU) hat am 21. April 2021 einen Entwurf für eine neue Regelung für KI vorgestellt, den Arti­fi­cial Intel­li­gence Act (AI Act), der weltweit weg­weisend ist und erhe­bliche Auswirkun­gen auf das Arbeit­srecht haben könnte.

3.1.1 Der EU Artificial Intelligence Act: Ein Überblick

Der AI Act zielt darauf ab, den Ein­satz von KI-Sys­te­men zu reg­ulieren, um die Sicher­heit und Grun­drechte der Men­schen zu schützen. Er unterteilt KI-Sys­teme in Risikokat­e­gorien, ver­bi­etet KI-Sys­teme mit nicht vertret­baren Risiken und begren­zt die Nutzung von KI-Sys­te­men mit hohen oder niedri­gen Risiken durch Transparenzpflichten.

3.1.2 Auswirkungen auf die Überwachung am Arbeitsplatz

Der AI Act ver­bi­etet bes­timmte Anwen­dun­gen von KI, wie die bio­metrische Überwachung und den Ein­satz bio­metrisch­er Dat­en für die Emo­tion­serken­nung. Dies kön­nte die Überwachung­sprak­tiken am Arbeit­splatz erhe­blich bee­in­flussen und die Pri­vat­sphäre der Arbeit­nehmer stärken.

3.1.3 KI und Diskriminierung am Arbeitsplatz

Der AI Act ver­langt, dass KI-Sys­teme nicht diskri­m­inierend sein dür­fen. Dies kön­nte Auswirkun­gen auf die Ver­wen­dung von KI in der Per­son­albeschaf­fung und ‑bew­er­tung haben. Es gibt Hin­weise darauf, dass KI-Sys­teme ungerechte, sex­is­tis­che oder ras­sis­tis­che Annah­men und Entschei­dun­gen tre­f­fen kön­nen. Arbeit­ge­ber müssen sich­er­stellen, dass ihre KI-Sys­teme fair und unvor­ein­genom­men sind.

3.1.4 Transparenz und Kontrolle für Arbeitnehmer

Die neuen Trans­paren­zpflicht­en kön­nten dazu führen, dass Arbeit­nehmer ein besseres Ver­ständ­nis und mehr Kon­trolle über die Ver­wen­dung von KI-Sys­te­men am Arbeit­splatz haben. Arbeit­ge­ber müssen trans­par­ent sein über die Ver­wen­dung von KI und den Arbeit­nehmern ermöglichen, ihre Rechte in Bezug auf KI-Sys­teme auszuüben.

3.1.5 Sicherheit am Arbeitsplatz und KI

Der AI Act ver­bi­etet KI-Sys­teme, die die Sicher­heit von Men­schen bedro­hen. Dies kön­nte Auswirkun­gen auf die Ver­wen­dung von KI in sicher­heit­skri­tis­chen Arbeit­sumge­bun­gen haben. Arbeit­ge­ber müssen sich­er­stellen, dass ihre KI-Sys­teme die Sicher­heit am Arbeit­splatz nicht gefährden.

3.1.6 Die Auswirkungen auf das Arbeitsrecht

Der AI Act kön­nte erhe­bliche Auswirkun­gen auf das Arbeit­srecht haben. Es kön­nten Änderun­gen in den Arbeits­ge­set­zen erforder­lich sein, um die Regelung umzuset­zen, und sowohl Arbeit­nehmer als auch Arbeit­ge­ber müssen sich auf neue Rechte und Pflicht­en einstellen.

3.1.7 Besondere Regelungen für KI-Systeme wie GPT und Open Source

Der AI Act enthält spezielle Bes­tim­mungen für gen­er­a­tive Grund­la­gen­mod­elle wie GPT. Diese Mod­elle müssen zusät­zliche Trans­paren­zan­forderun­gen erfüllen, wie das Offen­le­gen, dass die Inhalte durch KI gener­iert wur­den, und das Design des Mod­ells so, dass es keine ille­galen Inhalte gener­iert. Darüber hin­aus gibt es Aus­nah­men für Forschungstätigkeit­en und KI-Kom­po­nen­ten, die unter Open-Source-Lizen­zen zur Ver­fü­gung gestellt wer­den. Dies kön­nte die Abhängigkeit europäis­ch­er Unternehmen von US-Anbi­etern ver­ringern und die Inno­va­tion in Europa fördern.

3.1.8 Nächste Schritte und Fazit

Die Abstim­mung über den AI Act im Europäis­chen Par­la­ment ist für den 14. Juni 2023 geplant. Danach kön­nen die Ver­hand­lun­gen mit dem Rat, also den Regierun­gen der EU-Mit­gliedsstaat­en, begin­nen. Der AI Act ist ein wichtiger Schritt in Rich­tung ein­er gerechteren und sicher­eren Arbeitswelt. Er stellt hohe Anforderun­gen an Arbeit­ge­ber und KI-Anbi­eter und stärkt die Rechte und Sicher­heit der Arbeit­nehmer. Während wir uns auf eine zunehmend von KI geprägte Arbeitswelt zube­we­gen, ist es entschei­dend, dass wir die Rechte und Sicher­heit der Arbeit­nehmer schützen und eine faire und gerechte Arbeit­sumge­bung gewährleisten.

4. Aktuelle Rechtsprechung

Anforderungen an die Substantiierung im Kündigungsrecht (BAG, Beschluss vom 21.03.2024, 2 AZN 785/23)

Zusam­men­fas­sung des Sachverhalts:

Die Parteien stre­it­en im Rah­men ein­er Kündi­gungss­chutzk­lage, in der die Beklagte eine außeror­dentliche frist­lose sowie eine außeror­dentliche Kündi­gung mit Aus­lauf­frist wegen eines ange­blichen Eigen­tums­de­lik­ts gegen den Kläger aussprach. Die Beklagte berief sich auf Zeu­ge­naus­sagen, ins­beson­dere von Her­rn C, als Beweis für die Tat­beteili­gung des Klägers. Das Lan­desar­beits­gericht wies die Beru­fung der Beklagten zurück, da es die Beweisanträge der Beklagten als nicht aus­re­ichend sub­stan­ti­iert ansah und die Beklagte nicht dar­legen kon­nte, wie der Zeuge die Iden­tität des Klägers fest­gestellt habe.

Zusam­men­fas­sung der Urteilsbegründung:

Das Bun­de­sar­beits­gericht hob das Urteil des Lan­desar­beits­gerichts auf und ver­wies den Fall zurück zur erneuten Ver­hand­lung. Das Gericht stellte fest, dass das Lan­desar­beits­gericht die Sub­stan­ti­ierungsan­forderun­gen für das Vor­brin­gen der Beklagten überspan­nt hat­te. Ins­beson­dere wurde kri­tisiert, dass von der Beklagten nicht ver­langt wer­den kann, bere­its im Vor­feld der Zeu­gen­vernehmung detail­lierte Beweise für die Richtigkeit der Aus­sagen des Zeu­gen zu liefern. Diese Entschei­dung bedeutet, dass das Lan­desar­beits­gericht die Zeu­ge­naus­sagen hätte berück­sichti­gen müssen, ohne von der Beklagten eine Erk­lärung zu ver­lan­gen, wie der Zeuge zu seinen Ken­nt­nis­sen kam. Dieser Ansatz hätte möglicher­weise zu einem anderen Urteil führen kön­nen, ins­beson­dere wenn der Zeuge den Kläger als beteiligte Per­son iden­ti­fizieren kon­nte. Das BAG betont damit die Bedeu­tung des rechtlichen Gehörs und die kor­rek­te Anwen­dung der prozes­sualen Regeln zur Beweisaufnahme.

https://www.bundesarbeitsgericht.de/entscheidung/2‑azn-785–23/

Diskriminierung eines schwerbehinderten Bewerbers im kirchlichen Kontext (BAG, Urteil vom 25.01.2024, 8 AZR 318/22)

Zusam­men­fas­sung des Sachverhaltes:

Der Kläger, ein schwer­be­hin­dert­er Bewer­ber, forderte eine Entschädi­gung wegen Diskri­m­inierung nach § 15 Abs. 2 AGG, nach­dem er von einem kirch­lichen Arbeit­ge­ber nicht zu einem Vorstel­lungs­ge­spräch ein­ge­laden wurde. Der Beklagte, ein Kirchenkreis der Evan­ge­lis­chen Kirche, argu­men­tierte, nicht als öffentlich­er Arbeit­ge­ber nach § 165 SGB IX verpflichtet zu sein, schwer­be­hin­derte Bewer­ber zu einem Vorstel­lungs­ge­spräch einzuladen.

Zusam­men­fas­sung der Urteilsbegründung:

Das Bun­de­sar­beits­gericht wies die Revi­sion des Klägers ab, bestäti­gend, dass kirch­liche Kör­per­schaften des öffentlichen Rechts nicht als öffentliche Arbeit­ge­ber im Sinne des § 165 SGB IX gel­ten. Somit war der Beklagte nicht verpflichtet, den Kläger zu einem Vorstel­lungs­ge­spräch einzu­laden. Das Gericht stellte klar, dass das kirch­liche Selb­st­bes­tim­mungsrecht und die ver­fas­sungsrechtliche Ver­ankerung der Kirchen eine solche Verpflich­tung auss­chließen. Es wurde betont, dass die kirch­lichen Kör­per­schaften keine staatlichen Auf­gaben wahrnehmen und daher nicht den gle­ichen Regelun­gen wie öffentliche Arbeit­ge­ber unterliegen.

https://www.bundesarbeitsgericht.de/entscheidung/8‑azr-318–22

Streit über Urlaubsgeldanspruch nach Ablösung durch Betriebsvereinbarung (BAG, Urteil vom 24.01.2024, 10 AZR 33/23)

Zusam­men­fas­sung des Sachverhaltes:

Der Kläger fordert ein Urlaub­s­geld für das Jahr 2021 von der Beklagten, ein­er Mit­glieds­fir­ma des Kom­mu­nalen Arbeit­ge­berver­bands. Ursprünglich basierte der Anspruch auf ein­er Gesamtzusage von 1992, die später durch eine Betrieb­svere­in­barung (BV) erset­zt wurde. Nach Kündi­gung dieser BV behauptet der Kläger, der Anspruch auf das Urlaub­s­geld lebe wieder auf oder ergebe sich aus betrieblich­er Übung.

Zusam­men­fas­sung der Urteilsbegründung:

Das Bun­de­sar­beits­gericht wies die Revi­sion des Klägers zurück. Es fand, dass die ursprüngliche Gesamtzusage durch die Betrieb­svere­in­barung von 1999 wirk­sam erset­zt wurde und dass mit der Kündi­gung dieser Vere­in­barung zum 30. Juni 2021 keine Rechte aus der ursprünglichen Zusage wieder aufleben. Weit­er­hin argu­men­tiert das Gericht, dass der Anspruch auf Urlaub­s­geld durch die BV geregelt wurde und nach deren Kündi­gung erloschen ist, ohne dass eine Umdeu­tung in eine Gesamtzusage gerecht­fer­tigt sei.

https://www.bundesarbeitsgericht.de/entscheidung/10-azr-33–23

Tarifliche Nachtarbeitszuschläge und der Gleichheitssatz (BAG, Urteil vom 21.02.2024, 10 AZR 177/21)

Zusam­men­fas­sung des Sachverhalts

Der Kläger war in einem Unternehmen der Getränkein­dus­trie beschäftigt und leis­tete Nachtar­beit im Rah­men von Wech­selschicht­en. Nach dem Man­teltar­ifver­trag erhielt er für Nachtar­beit zwis­chen 22:00 Uhr und 06:00 Uhr einen Zuschlag von 25%. Der Kläger ver­langte jedoch einen höheren Zuschlag von 50%, den andere Nachtar­beit­nehmer erhiel­ten, und argu­men­tierte, dass die niedrigere Vergü­tung für ver­gle­ich­bare Nachtar­beit ohne sach­lichen Grund und damit gegen den all­ge­meinen Gle­ich­heitssatz verstieß.

Zusam­men­fas­sung der Urteilsbegründung

Das Bun­de­sar­beits­gericht gab dem Kläger recht, indem es das Urteil der Vorin­stanz aufhob und die Dif­ferenz zwis­chen den geleis­teten und den tar­i­flich höheren Zuschlä­gen zus­prach. Das Gericht erk­lärte, dass die Unter­schei­dung zwis­chen den Zuschlä­gen für reg­uläre Nachtar­beit und die für Wech­selschichtar­beit ohne sach­lichen Grund erfol­gte. Diese Ungle­ich­be­hand­lung ver­stieß gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Das Gericht führte aus, dass bei­de For­men der Nachtar­beit ver­gle­ich­bare Belas­tun­gen für die Arbeit­nehmer darstell­ten und deshalb gle­ich behan­delt wer­den soll­ten. Dadurch wurde der Kläger berechtigt, densel­ben höheren Nachtar­beit­szuschlag wie andere Nachtar­beit­nehmer zu erhal­ten, um die gle­ich­heitswidrige Behand­lung auszugleichen.

Dieses Urteil verdeut­licht die Anforderung an Tar­ifverträge, eine gle­ich­mäßige und gerechte Behand­lung aller Arbeit­nehmer zu gewährleis­ten, ins­beson­dere in Bezug auf Lohnzuschläge für Nachtarbeit.

https://www.bundesarbeitsgericht.de/entscheidung/10-azr-177–21

Prüfung der Kündigung wegen Kirchenaustritts vor dem Hintergrund der Religionsfreiheit (BAG, Urteil vom 1.02.2024, 2 AZR 196/22 (A))

Zusam­men­fas­sung des Sachverhaltes:

Die Klägerin, eine langjährige Mitar­bei­t­erin eines katholis­chen Beratungsvere­ins, trat aus der katholis­chen Kirche aus. Ihre Tätigkeit umfasste die Beratung schwan­ger­er Frauen gemäß kirch­lichen Richtlin­ien, die einen kirch­lichen Aus­tritt als schw­er­wiegen­den Loy­al­itätsver­stoß werten. Der Beklagte, ihr Arbeit­ge­ber, kündigte daraufhin das Arbeitsver­hält­nis sowohl frist­los als auch frist­gerecht zum Jahre­sende, nach­dem Bemühun­gen, die Klägerin zum Wiedere­in­tritt zu bewe­gen, scheit­erten. Die vorheri­gen Instanzen gaben der Kündi­gungss­chutzk­lage der Klägerin statt.

Zusam­men­fas­sung der Urteilsbegründung:

Das Bun­de­sar­beits­gericht set­zte das Revi­sionsver­fahren aus und richtete ein Vor­abentschei­dungser­suchen an den Gericht­shof der Europäis­chen Union. Es stellte Fra­gen zur Vere­in­barkeit der Kündi­gung auf­grund eines Kirchenaus­tritts mit der Richtlin­ie 2000/78/EG und der Char­ta der Grun­drechte der Europäis­chen Union, ins­beson­dere im Hin­blick auf die Reli­gions­frei­heit und Gle­ich­be­hand­lung in Beschäf­ti­gung und Beruf.

Es beste­hen Bedenken, ob eine solche Kündi­gung eine direk­te Diskri­m­inierung wegen Reli­gion darstellt und ob sie durch das kirch­liche Selb­stver­ständ­nis gerecht­fer­tigt sein kann. Dabei wird erörtert, ob die spez­i­fis­chen Anforderun­gen an die Loy­al­ität, die eine religiöse Organ­i­sa­tion an ihre Mitar­beit­er stellt, ins­beson­dere die Nicht-Beendi­gung der Mit­glied­schaft während des Beschäf­ti­gungsver­hält­niss­es, nach EU-Recht halt­bar sind. Das Gericht betont die Notwendigkeit ein­er sorgfälti­gen Prü­fung, ob der Aus­tritt allein ein aus­re­ichen­der Grund für eine Kündi­gung sein kann, ohne dass weit­ere Umstände hinzutreten.

Das BAG hebt her­vor, dass die kirch­lichen Anforderun­gen an die Loy­al­ität ihrer Angestell­ten zwar grund­sät­zlich anerkan­nt sind, jedoch auch nicht das Diskri­m­inierungsver­bot ver­let­zen dür­fen. Die euro­parechtliche Über­prü­fung soll klären, ob die kirch­liche Forderung nach Loy­al­ität in Form des Nicht-Aus­tritts aus der Kirche eine notwendi­ge, legit­ime und angemessene beru­fliche Anforderung darstellt.

https://www.bundesarbeitsgericht.de/entscheidung/2‑azr-196–22‑a

Einstweiliger Rechtsschutz — Verbot des Einsatzes von ChatGPT und anderen KI-Systemen (ArbG Hamburg, Beschluss vom 16.01.2024, 24 BVGa 1/24)

Zusam­men­fas­sung des Sachverhaltes:

Der Konz­ern­be­trieb­srat eines Unternehmens der Medi­z­in­tech­nik in Ham­burg hat im Rah­men des einst­weili­gen Rechtss­chutzes beantragt, den Mitar­beit­ern der Beteiligten zu 2 (dem Unternehmen) den Ein­satz von Chat­G­PT und anderen KI-Sys­te­men zu ver­bi­eten. Nach ein­er kurzzeit­i­gen Sper­rung hat­te das Unternehmen den Zugang zu Chat­G­PT wieder freigegeben und Richtlin­ien für die Nutzung von gen­er­a­tiv­er KI veröf­fentlicht. Der Betrieb­srat sieht in der Freiga­be und den damit ver­bun­de­nen Nutzungsrichtlin­ien eine Ver­let­zung sein­er Mitbes­tim­mungsrechte nach § 87 Abs. 1 BetrVG, ins­beson­dere weil keine Betrieb­svere­in­barung zur Nutzung der KI vor­liegt und auch keine Zus­tim­mung durch den Betrieb­srat erteilt wurde. Darüber hin­aus wurde eine poten­zielle Überwachung der Arbeit­nehmer durch die Nutzung der KI-Tools befürchtet, sowie psy­chis­che Belas­tun­gen durch die Ein­führung der neuen Technologie.

Zusam­men­fas­sung der Urteilsbegründung:

Das Arbeits­gericht Ham­burg hat alle Anträge des Betrieb­srats zurück­gewiesen. Das Gericht befand, dass die Anträge teils unzuläs­sig, teils unbe­grün­det seien. Ins­beson­dere sei kein Ver­fü­gungsanspruch erkennbar, da die Voraus­set­zun­gen für einen Ein­griff in die Mitbes­tim­mungsrechte nach § 87 Abs. 1 BetrVG nicht vor­lä­gen. Es wurde fest­gestellt, dass die Richtlin­ien und die Nutzung der KI-Tools eher das Arbeitsver­hal­ten als das Ord­nungsver­hal­ten betr­e­f­fen und somit keine Mitbes­tim­mung des Betrieb­srats erforder­lich ist. Auch wurde argu­men­tiert, dass der Ein­satz von Chat­G­PT keine Überwachung darstelle, die ein Mitbes­tim­mungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG aus­lösen würde, da das Unternehmen keinen Zugriff auf die Dat­en hat und die Nutzung auf pri­vat­en Accounts der Mitar­beit­er basiert. Zudem kon­nte keine konkrete Gefährdung der Mitar­beit­er durch die Nutzung der KI nachgewiesen wer­den, was ein Mitbes­tim­mungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG auss­chließt. Die Beratungsrechte nach § 90 BetrVG wur­den als erfüllt ange­se­hen, und somit bestand auch hier kein Verfügungsanspruch.

Ham­burg — 24 BVGa 1/24 | ArbG Ham­burg 24. Kam­mer | Beschluss | Einst­weiliger Rechtss­chutz — Ver­bot des Ein­satzes von Chat­G­PT und anderen Sys­te­men der Kün­stlichen … (landesrecht-hamburg.de)

Kündigung wegen Täuschung über vorläufige Impfunfähigkeit (BAG, Urteil vom 14.12.2023, 2 AZR 55/23)

Zusam­men­fas­sung des Sachverhaltes:

Die Klägerin, seit 1988 als Pflege­helferin in einem Kranken­haus der Beklagten beschäftigt, legte zur Umge­hung der ein­rich­tungs­be­zo­ge­nen Impf­pflicht gegen SARS-CoV­‑2 eine gefälschte Bescheini­gung über ihre vor­läu­fige Imp­fun­fähigkeit vor. Diese Bescheini­gung hat­te sie im Inter­net erwor­ben, ohne eine tat­säch­liche ärztliche Kon­sul­ta­tion. Die Beklagte kündigte daraufhin das Arbeitsver­hält­nis außeror­dentlich frist­los sowie hil­f­sweise mit sozialer Auslauffrist.

Zusam­men­fas­sung der Urteilsbegründung:

Das Bun­de­sar­beits­gericht bestätigte die Wirk­samkeit der außeror­dentlichen frist­losen Kündi­gung. Es sah in der Hand­lung der Klägerin eine erhe­bliche Ver­let­zung der arbeitsver­traglichen Nebenpflicht­en, die geeignet ist, einen wichti­gen Grund für eine frist­lose Kündi­gung darzustellen. Die Klägerin täuschte wahrheitswidrig über die medi­zinis­che Notwendigkeit ein­er Über­prü­fung ihrer Impf­fähigkeit und erweck­te den Ein­druck ein­er ärztlichen Unter­suchung. Das Gericht wertete dies als schw­eren Ver­trauens­bruch, da die Täuschung nicht nur darauf abzielte, die Impf­pflicht zu umge­hen, son­dern auch das Risiko für die Gesund­heit vul­ner­a­bler Patien­ten erhöhte.

Die Entschei­dung beruhte auf der Erwä­gung, dass die Schwere der Pflichtver­let­zung eine vorherige Abmah­nung über­flüs­sig machte und eine Weit­erbeschäf­ti­gung der Klägerin bis zum Ablauf der Kündi­gungs­frist unzu­mut­bar war. Das Gericht sah in der Täuschung eine bewusste und schw­er­wiegende Hand­lung, die das Ver­trauen der Beklagten irrepara­bel beschädigte.

https://www.bundesarbeitsgericht.de/entscheidung/2‑azr-55–23

Anpassung der Vergütung bei Aufstockung von Teilzeit auf Vollzeit (BAG, Urteil vom 13.12.2023, 5 AZR 168/23)

Zusam­men­fas­sung des Sachverhaltes:

Die Klägerin, ursprünglich in Teilzeit beschäftigt, strebte eine Erhöhung ihrer Arbeit­szeit auf eine Vol­lzeitbeschäf­ti­gung an. Im Zuge dessen forderte sie eine Ver­dopplung ein­er zuvor vere­in­barten Zulage von 250,00 Euro auf 500,00 Euro brut­to monatlich. Die Beklagte lehnte diese Erhöhung ab, woraufhin die Klägerin rechtliche Schritte ein­leit­ete. Nach der Auf­s­tock­ung ihrer Arbeit­szeit durch eine außerg­erichtliche Eini­gung zwis­chen den Parteien, zahlte die Beklagte die Klägerin nach wie vor nur die ursprüngliche Zulage von 250,00 Euro.

Zusam­men­fas­sung der Urteilsbegründung:

Das Bun­de­sar­beits­gericht wies die Revi­sion der Beklagten ab und bestätigte die Entschei­dung des Lan­desar­beits­gerichts, welche der Forderung der Klägerin nach ein­er erhöht­en Zulage stattgab. Das Gericht argu­men­tierte, dass die Zulage ein wesentlich­er Bestandteil der Vergü­tung für die erbrachte Arbeit­sleis­tung darstellt und daher bei ein­er Erhöhung der Arbeit­szeit entsprechend anzu­passen ist. Es führte weit­er­hin aus, dass eine der­ar­tige Anpas­sung den üblichen Gepflo­gen­heit­en im Arbeit­sleben entspricht, bei denen die Vergü­tung in Rela­tion zum Umfang der Arbeit­szeit gestal­tet wird. Somit sei die Klägerin berechtigt, eine ver­dop­pelte Zulage zu erhal­ten, da sie nun eine vol­lum­fängliche Arbeit­sleis­tung erbringt.

https://www.bundesarbeitsgericht.de/entscheidung/5‑azr-168–23

Vorlage von Bewerbungsunterlagen — digitales Leserecht (BAG, Beschluss vom 13.12.2023, 1 ABR 28/22)

Zusam­men­fas­sung des Sachverhalts

In diesem Fall strit­ten die Parteien über die kor­rek­te Art der Vor­lage von Bewer­bung­sun­ter­la­gen für den Betrieb­srat im Rah­men eines Ein­stel­lungsver­fahrens. Die Arbeit­ge­berin, ein Unternehmen der Getränkein­dus­trie, führte den Bewer­bung­sprozess dig­i­tal durch und stellte dem Betrieb­srat die Bewer­bung­sun­ter­la­gen über ein Soft­ware­pro­gramm zur Ver­fü­gung. Der Betrieb­srat forderte hinge­gen die Unter­la­gen in Papier­form und ver­weigerte seine Zus­tim­mung zur Ein­stel­lung eines Kan­di­dat­en, da er der Mei­n­ung war, nicht ord­nungs­gemäß unter­richtet wor­den zu sein.

Zusam­men­fas­sung der Urteilsbegründung

Das Bun­de­sar­beits­gericht entsch­ied, dass die dig­i­tale Bere­it­stel­lung der Bewer­bung­sun­ter­la­gen aus­re­ichend ist, um den Anforderun­gen des § 99 Abs. 1 BetrVG nachzukom­men. Es betonte, dass die dig­i­tale Vor­lage der Unter­la­gen den Betrieb­sratsmit­gliedern erlaubt, die erforder­lichen Infor­ma­tio­nen zur Prü­fung und Beratung über die Bewer­ber zu erhal­ten. Die Mit­glieder des Betrieb­srats hat­ten Zugang zu allen rel­e­van­ten Bewer­ber­in­for­ma­tio­nen durch bere­it­gestellte Lap­tops und kon­nten im Sys­tem hin­ter­legte Doku­mente wie Lebensläufe und Zeug­nisse ein­se­hen. Dies genügte den Anforderun­gen, die eine ord­nungs­gemäße Unter­rich­tung im Sinne des Betrieb­sver­fas­sungs­ge­set­zes erfüllen müssen. Die Argu­men­ta­tion des Gerichts stützte sich dabei auf die Funk­tion­al­ität und Prak­tik­a­bil­ität dig­i­taler Tech­nolo­gien im mod­er­nen Arbeitsumfeld.

https://www.bundesarbeitsgericht.de/entscheidung/1‑abr-28–22

Entgeltfortzahlung bei Kündigung während krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit (BAG, Urteil vom 13.12.2023, 5 AZR 137/23)

Zusam­men­fas­sung des Sachverhaltes:

Der Kläger, beschäftigt als Helfer mit einem Stun­den­lohn von 10,88 Euro und ein­er wöchentlichen Arbeit­szeit von 35 Stun­den bei ein­er Fir­ma für Arbeit­nehmerüber­las­sung, erhielt nach Vor­lage ein­er Arbeit­sun­fähigkeits­bescheini­gung am 2. Mai 2022, die seine Arbeit­sun­fähigkeit vom 2. bis zum 6. Mai bestätigte, am 3. Mai eine Kündi­gung zum 31. Mai 2022. Der Kläger präsen­tierte weit­ere Arbeit­sun­fähigkeits­bescheini­gun­gen für den gesamten Kündi­gungszeitraum bis Ende Mai. Nach sein­er Gene­sung nahm er am 1. Juni eine neue Beschäf­ti­gung auf.

Zusam­men­fas­sung der Urteilsbegründung:

Das BAG entsch­ied teil­weise zugun­sten des Klägers, dass für den Zeitraum vom 1. bis zum 6. Mai 2022 Ent­gelt­fortzahlung zu leis­ten sei, jedoch mit geän­dertem Zins­be­ginn ab dem 23. Juni 2022. Für den Zeitraum vom 7. bis zum 31. Mai 2022 wurde das Urteil des Lan­desar­beits­gerichts aufge­hoben und zur erneuten Ver­hand­lung zurück­ver­wiesen, da der Beweiswert der vorgelegten Arbeit­sun­fähigkeits­bescheini­gun­gen durch die Beklagte erfol­gre­ich angezweifelt wurde. Ins­beson­dere wur­den die Umstände und die zeitliche Nähe von Kündi­gung und Krankheitsmeldun­gen des Klägers als Grund für berechtigte Zweifel an der Authen­tiz­ität der Arbeit­sun­fähigkeit angesehen.

https://www.bundesarbeitsgericht.de/entscheidung/5‑azr-137–23

Berechtigung der Gesamtschwerbehindertenvertretung zur Teilnahme an Betriebsversammlungen (BAG, Beschluss vom 12.12.2023, 7 ABR 23/22)

Zusam­men­fas­sung des Sachverhalts:

Die beteiligte Gesamtschwer­be­hin­derten­vertre­tung begehrt das Recht zur Teil­nahme an den Betrieb­sver­samm­lun­gen, die vom zu beteiligten Betrieb­srat ein­berufen wer­den. In der betrof­fe­nen Fil­iale des Unternehmens gibt es keine gewählte Schwer­be­hin­derten­vertre­tung, obwohl dort schwer­be­hin­derte Arbeit­nehmer beschäftigt sind. Die Gesamtschwer­be­hin­derten­vertre­tung argu­men­tiert, dass sie in Erman­gelung ein­er lokalen Vertre­tung das Recht zur Teil­nahme an diesen Ver­samm­lun­gen habe, um die Inter­essen der schwer­be­hin­derten Arbeit­nehmer zu vertreten.

Zusam­men­fas­sung der Urteilsbegründung:

Das Bun­de­sar­beits­gericht bestätigte die Entschei­dung des Lan­desar­beits­gerichts, die der Gesamtschwer­be­hin­derten­vertre­tung das Recht zur Teil­nahme an den Betrieb­sver­samm­lun­gen zus­pricht. Die geset­zlichen Bes­tim­mungen zur Schwer­be­hin­derten­vertre­tung erlauben der Gesamtschwer­be­hin­derten­vertre­tung, in Betrieben ohne lokale Schwer­be­hin­derten­vertre­tung die Inter­essen der schwer­be­hin­derten Arbeit­nehmer zu vertreten. Dies schließt auch das Recht zur Teil­nahme an Betrieb­sver­samm­lun­gen ein, um dort für die Rechte schwer­be­hin­dert­er Arbeit­nehmer einzutreten. Das Gericht betonte, dass die Nichtöf­fentlichkeit der Betrieb­sver­samm­lung diesem Teil­nah­merecht nicht ent­ge­gen­ste­ht, da das Teil­nah­merecht expliz­it dazu dient, die Inter­essen der schwer­be­hin­derten Arbeit­nehmer in Abwe­sen­heit ein­er lokalen Vertre­tung zu schützen.

https://www.bundesarbeitsgericht.de/entscheidung/7‑abr-23–22

Urlaubsberechnung bei Krankheit während Kurzarbeit “null” (BAG, Urteil vom 05.12.2023, 9 AZR 364/22)

Zusam­men­fas­sung des Sachverhalts:

In diesem Fall geht es um die Frage, wie der Urlaub­sanspruch eines Arbeit­nehmers zu berech­nen ist, der während eines Zeitraums erkrankt, für den im Unternehmen wirk­sam Kurzarbeit “null” einge­führt wurde. Der Kläger, ein ehe­ma­liger Mitar­beit­er der Betrieb­ss­chlosserei, ver­langte Urlaub­sabgel­tung für das Jahr 2020 und argu­men­tierte, dass seine krankheits­be­d­ingten Aus­fal­lzeit­en wie nor­male Arbeit­szeit­en zu behan­deln seien.

Zusam­men­fas­sung der Urteilsbegründung:

Das Bun­de­sar­beits­gericht bestätigte die Entschei­dung des Lan­desar­beits­gerichts und wies die Revi­sion des Klägers zurück. Das Gericht erk­lärte, dass die Zeit­en, in denen auf­grund der einge­führten Kurzarbeit “null” keine Arbeit­spflicht bestand, auch nicht als Zeit­en mit Arbeit­spflicht bei der Berech­nung des Urlaub­sanspruchs ange­se­hen wer­den. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeit­nehmer während dieser Zeit­en krank war. Die krankheits­be­d­ingten Aus­fal­lzeit­en fall­en somit nicht in die Berech­nung des Urlaub­sanspruchs ein, da sie während der Kurzarbeit “null” erfolgten.

Das Gericht stützte sich dabei auf die Regelun­gen des Bun­desurlaub­s­ge­set­zes (BUrlG) und die entsprechende Recht­sprechung des Europäis­chen Gericht­shofs. Der EuGH hat fest­gestellt, dass der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub grund­sät­zlich anhand der tat­säch­lich geleis­teten Arbeit­szeiträume zu berech­nen ist, und der Urlaub­szweck auf der Prämisse beruht, dass der Arbeit­nehmer im Laufe des Bezugszeitraums tat­säch­lich gear­beit­et hat. Deshalb soll­ten Zeit­en der Kurzarbeit “null”, in denen keine Arbeit geleis­tet wird, nicht zur Berech­nung des Urlaub­sanspruchs beitragen.

https://www.bundesarbeitsgericht.de/entscheidung/9‑azr-364–22

Anrechnung von Urlaub in Doppelarbeitsverhältnissen (BAG, Urteil vom 5.12.2023, 9 AZR 230/22)

Zusam­men­fas­sung des Sachverhaltes:

Die Klägerin, eine Fleis­chereifachverkäuferin, beanspruchte die Abgel­tung von Urlaub­sta­gen aus den Jahren 2020 und 2021. Nach ein­er frist­losen, aber rechtswidri­gen Kündi­gung durch den Beklagten und dem erfol­gre­ichen Abschluss ein­er Kündi­gungss­chutzk­lage, hat­te die Klägerin ein weit­eres Arbeitsver­hält­nis begonnen. Sie erhielt in diesem neuen Arbeitsver­hält­nis Urlaub, während sie gle­ichzeit­ig Ansprüche gegen den früheren Arbeit­ge­ber gel­tend machte. Die zen­trale Frage war, ob und wie der Urlaub des neuen Arbeit­ge­bers auf die Urlaub­sansprüche gegenüber dem alten Arbeit­ge­ber anzurech­nen sei.

Zusam­men­fas­sung der Urteilsbegründung:

Das Bun­de­sar­beits­gericht entsch­ied, dass Urlaub­sansprüche, die in einem beste­hen­den Arbeitsver­hält­nis während der Dauer eines anderen, zeit­gle­ich geführten Arbeitsver­hält­niss­es entste­hen, grund­sät­zlich anzurechen­bar sind. Dabei wird eine kalen­der­jahres­be­zo­gene Anrech­nung vorgenom­men, um Dop­pelansprüche zu ver­mei­den. Das Gericht wies darauf hin, dass Urlaub­sansprüche in Dop­pelar­beitsver­hält­nis­sen nach deutschem Recht in bei­den Arbeitsver­hält­nis­sen entste­hen kön­nen, auch wenn die Pflicht­en aus bei­den Ver­hält­nis­sen nicht gle­ichzeit­ig erfüllt wer­den kön­nen. Entschei­dend war, dass der Urlaub des neuen Arbeit­ge­bers auf die Urlaub­sansprüche des alten Arbeit­ge­bers anzurech­nen ist, wobei die Anrech­nung auf das jew­eilige Kalen­der­jahr beschränkt bleibt. Dadurch soll der geset­zlich vorge­se­hene Erhol­ungszweck jedes Jahres gewährleis­tet werden.

https://www.bundesarbeitsgericht.de/entscheidung/9‑azr-230–22

Pflicht zur Einladung schwerbehinderter Bewerber zu Ersatzterminen (BAG, Urteil vom 23.11.2023, 8 AZR 164/22)

Zusam­men­fas­sung des Sachverhaltes:

Die Klägerin, eine schwer­be­hin­derte Per­son, die sich als Her­maph­ro­dit iden­ti­fiziert, bewarb sich auf eine Stelle bei der Beklagten, ein­er öffentlichen Behörde. Sie wurde zu einem Vorstel­lungs­ge­spräch ein­ge­laden, kon­nte den Ter­min jedoch auf­grund eines anderen Ter­mins nicht wahrnehmen und bat um einen Ersatzter­min. Die Beklagte lehnte dies ab, da keine zeit­na­he Möglichkeit bestand, die Auswahlkom­mis­sion erneut zusam­men­zubrin­gen. Die Klägerin erhob daraufhin Klage auf Zahlung ein­er Entschädi­gung wegen Diskri­m­inierung auf­grund ihres Geschlechts und ihrer Behinderung.

Zusam­men­fas­sung der Urteilsbegründung:

Das Bun­de­sar­beits­gericht wies die Revi­sion der Klägerin zurück. Es fand keine Ver­let­zung des AGG hin­sichtlich der geschlechtlichen Iden­tität statt, da der Gebrauch des Gen­der­sterns in der Stel­lenauss­chrei­bung als inklu­siv ange­se­hen wurde und sich an alle Geschlechter richtete. Auch eine Diskri­m­inierung auf­grund der Schwer­be­hin­derung lag nicht vor. Obwohl die Beklagte nach § 165 Satz 3 SGB IX verpflichtet war, die Klägerin zu einem Vorstel­lungs­ge­spräch einzu­laden, was auch geschah, bestand keine Pflicht, einen Ersatzter­min anzu­bi­eten, da die organ­isatorischen Umstände der Beklagten und der nicht aus­re­ichend dargelegte Grund für die Ter­minab­sage der Klägerin gegen die Zumut­barkeit eines Ersatzter­mins sprachen. Die Entschei­dung des Lan­desar­beits­gerichts wurde bestätigt, da es keinen Rechts­fehler darin gab, dass die Beklagte keine Benachteili­gung auf­grund der Schwer­be­hin­derung began­gen hat­te, indem sie keinen Ersatzter­min anbot.

https://www.bundesarbeitsgericht.de/entscheidung/8‑azr-164–22

Diskriminierung wegen Behinderung bei Bewerbungsverfahren (BAG, Urteil vom 23.11.2023, 8 AZR 212/22)

Zusam­men­fas­sung des Sachverhaltes:

Der Kläger, ein Stu­dent mit einem Grad der Behin­derung (GdB) von 40, bewarb sich bei der Beklagten um ein Förder­pro­gramm, das neben ein­er finanziellen Unter­stützung auch prak­tis­che Erfahrun­gen in Form von Prak­ti­ka bietet. Während des Bewer­bung­sprozess­es informierte der Kläger die Beklagte über seine Behin­derung und seinen gestell­ten Antrag auf Gle­ich­stel­lung mit einem schwer­be­hin­derten Men­schen. Kurz darauf erhielt der Kläger eine Absage für das Pro­gramm. Nach­dem sein Antrag auf Gle­ich­stel­lung rück­wirk­end genehmigt wurde, klagte er gegen die Beklagte auf Entschädi­gung nach § 15 Abs. 2 AGG wegen Benachteili­gung auf­grund sein­er Behinderung.

Zusam­men­fas­sung der Urteilsbegründung:

Das Bun­de­sar­beits­gericht wies die Revi­sion des Klägers zurück, da keine hin­re­ichen­den Indizien für eine Diskri­m­inierung wegen der Behin­derung vor­la­gen. Zwar fällt der Kläger unter den per­sön­lichen Anwen­dungs­bere­ich des AGG als Bewer­ber für ein Beschäf­ti­gungsver­hält­nis, jedoch kon­nte nicht nachgewiesen wer­den, dass die Absage im Zusam­men­hang mit sein­er Behin­derung stand. Zudem waren die spez­i­fis­chen Ver­fahren­spflicht­en des SGB IX, die bei der Bewer­bung schwer­be­hin­dert­er Per­so­n­en greifen, nicht anwend­bar, da zum Zeit­punkt der Entschei­dung über die Bewer­bung noch keine Gle­ich­stel­lung vor­lag. Das Lan­desar­beits­gericht entsch­ied kor­rekt, dass der Kläger keine Benachteili­gung auf­grund sein­er Behin­derung erlit­ten hat. Die Entschei­dung für die Absage war rechtlich unab­hängig von der später erfol­gten Gle­ich­stel­lung, und es gab keine Ver­let­zung der Ver­fahren­spflicht­en, da diese nur bei bere­its anerkan­nter Schwer­be­hin­derung oder erfol­gter Gle­ich­stel­lung während des Bewer­bung­sprozess­es Anwen­dung finden.

https://www.bundesarbeitsgericht.de/entscheidung/8‑azr-212–22

Regelung der wöchentlichen Arbeitszeit bei Arbeit auf Abruf ohne vertragliche Festlegung (BAG, Urteil vom 18.10.2023, 5 AZR 22/23)

Zusam­men­fas­sung des Sachverhaltes:

Die Klägerin ist seit dem 22. Juli 2009 als Mitar­bei­t­erin auf Abruf bei der Beklagten beschäftigt. Ursprünglich war keine konkrete wöchentliche Arbeit­szeit ver­traglich fest­gelegt wor­den. Die Klägerin war in den Jahren 2017 bis 2019 durch­schnit­tlich 103,2 Stun­den monatlich tätig. Seit Jan­u­ar 2020, nach Weg­fall der Sam­stagsar­beit, wurde sie weniger zur Arbeit herange­zo­gen. Die Klägerin erhob Klage auf Vergü­tung wegen Annah­mev­erzugs und ver­langte die Fest­stel­lung ein­er regelmäßi­gen monatlichen Arbeit­szeit von 103,2 Stun­den ab 2020. Die Vorin­stanzen, das Arbeits­gericht und das Lan­desar­beits­gericht Hamm, wiesen die Klage größ­ten­teils ab.

Zusam­men­fas­sung der Urteilsbegründung:

Das Bun­de­sar­beits­gericht bestätigte die Entschei­dung der Vorin­stanzen und wies die Revi­sion der Klägerin zurück. Es wurde fest­gestellt, dass im Falle der Arbeit auf Abruf ohne ver­traglich fest­gelegte Arbeit­szeit nach § 12 Abs. 1 Satz 3 TzBfG eine Arbeit­szeit von 20 Stun­den wöchentlich als vere­in­bart gilt. Eine ergänzende Ver­tragsausle­gung, um eine andere Arbeit­szeit­dauer festzule­gen, sei nur möglich, wenn objek­tive Anhalt­spunk­te dafür vor­liegen, dass Arbeit­ge­ber und Arbeit­nehmer bei Ver­tragss­chluss eine andere Regelung gewollt hät­ten. Das Gericht fand keine Anhalt­spunk­te für eine abwe­ichende Vere­in­barung und erk­lärte, dass das Abrufver­hal­ten der Beklagten in den Jahren 2017 bis 2019 nicht aus­re­iche, um einen anderen als den geset­zlich vorge­se­henen Umfang der Arbeit­szeit anzunehmen.

https://www.bundesarbeitsgericht.de/entscheidung/5‑azr-22–23

Mitbestimmung des Betriebsrats bei Handyverbot während der Arbeitszeit (BAG, Beschluss vom 17.10.2023, 1 ABR 24/22)

Zusam­men­fas­sung des Sachverhaltes:

Der Betrieb­srat eines Unternehmens, das Brems- und Kraft­stoff­sys­teme her­stellt, hat gegen eine Anord­nung der Arbeit­ge­berin geklagt, die den Arbeit­nehmern die pri­vate Nutzung von Smart­phones während der Arbeit­szeit unter­sagt. Diese Anord­nung wurde durch Aushänge im Betrieb kom­mu­niziert und bein­hal­tete arbeit­srechtliche Kon­se­quen­zen bei Ver­stößen, bis hin zur frist­losen Kündi­gung. Der Betrieb­srat argu­men­tierte, dass das Handyver­bot das Ord­nungsver­hal­ten der Arbeit­nehmer im Betrieb bet­rifft und somit ein Mitbes­tim­mungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG besteht.

Zusam­men­fas­sung der Urteilsbegründung:

Das Bun­de­sar­beits­gericht wies die Rechts­beschw­erde des Betrieb­srats zurück und bestätigte damit die Entschei­dun­gen der Vorin­stanzen, die eben­falls die Anträge des Betrieb­srats abgewiesen hat­ten. Es stellte fest, dass die stre­it­be­fan­gene Anord­nung der Arbeit­ge­berin, die pri­vate Nutzung von Mobil­tele­fo­nen und Smart­phones während der Arbeit­szeit zu ver­bi­eten, primär auf die Steuerung des Arbeitsver­hal­tens gerichtet ist und nicht auf das Ord­nungsver­hal­ten im Betrieb. Das Ver­bot zielt darauf ab, die Arbeit­sleis­tung sicherzustellen, indem es Ablenkun­gen durch pri­vate Nutzung der Geräte ver­hin­dert. Selb­st wenn durch die Maß­nahme auch das Ord­nungsver­hal­ten tang­iert wird, liegt der Schw­er­punkt auf dem Arbeitsver­hal­ten, was mitbes­tim­mungs­frei ist. Der Sen­at urteilte, dass ein Mitbes­tim­mungsrecht des Betrieb­srats nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG nicht beste­ht und wies darauf hin, dass die rechtliche Zuläs­sigkeit der Weisung selb­st keinen Ein­fluss auf das Beste­hen oder Nichtbeste­hen eines Mitbes­tim­mungsrechts hat.

https://www.bundesarbeitsgericht.de/entscheidung/1‑abr-24–22

Nachwirkung kollektivrechtlicher Regelungen bei nicht identitätswahrendem Betriebsübergang (BAG, Urteil vom 19.09.2023, 1 AZR 281/22)

Zusam­men­fas­sung des Sachverhaltes:

Der Kläger war seit 1986 bei einem Rechtsvorgänger der Beklagten beschäftigt, bei dem seit 1979 eine Gesamt­be­trieb­svere­in­barung galt, die auch Bei­hil­fen im Krankheits­fall regelte. Diese Vere­in­barung wurde durch den Betrieb­süber­gang auf die Beklagte trans­formiert. Trotz eines Frei­willigkeitsvor­be­halts und der Ein­stel­lung der Leis­tung durch die Beklagte 2020, behauptete der Kläger, aus der kon­tinuier­lichen Prax­is der Bei­hil­fegewährung, auch über seinen Ein­tritt in den Ruh­e­s­tand hin­aus, ein Recht auf diese Leis­tun­gen erlangt zu haben.

Zusam­men­fas­sung der Urteilsbegründung:

Das BAG wies die Revi­sion der Beklagten zurück und bestätigte die Urteile der Vorin­stanzen, die dem Kläger Recht gaben. Es wurde fest­gestellt, dass der Kläger auf­grund der betrieblichen Übung einen Anspruch auf Bei­hil­fen nach Maß­gabe der Betrieb­svere­in­barung hat, der auch nach seinem Auss­chei­den als Betrieb­srent­ner fortbeste­ht. Zudem wurde entsch­ieden, dass trotz des nicht iden­titätswahren­den Betrieb­süber­gangs die kollek­tivrechtlichen Regelun­gen in die indi­vidu­ellen Arbeitsver­hält­nisse trans­formiert wur­den und daher nach­wirken. Die Nach­wirkung der gekündigten Regelung gilt fort, bis eine neue Vere­in­barung zwis­chen Arbeit­ge­ber und Betrieb­srat getrof­fen wird. Die Ein­stel­lung der Leis­tung durch die Beklagte kon­nte nicht ohne eine solche neue Vere­in­barung wirk­sam wer­den, weshalb der Kläger weit­er­hin Anspruch auf die Bei­hil­fen hat.

https://www.bundesarbeitsgericht.de/entscheidung/1‑azr-281–22

Anspruch auf Teilzeit während der Elternzeit und Entgeltzahlung (BAG, Urteil vom 05.09.2023, 9 AZR 329/22)

Zusam­men­fas­sung des Sachverhaltes:

Der Kläger, ein Appli­ca­tion Engi­neer, war seit dem 1. Okto­ber 2010 bei der beklagten Fir­ma beschäftigt. Während ein­er Elternzeit für seine Tochter vom 3. August 2018 bis zum 2. Dezem­ber 2019 arbeit­ete er in Teilzeit mit ein­er wöchentlichen Rege­lar­beit­szeit von 30 Stun­den. Für eine anschließende Elternzeit zur Betreu­ung seines Sohnes vom 3. Dezem­ber 2019 bis zum 2. Novem­ber 2021 beantragte er eben­falls eine Teilzeitbeschäf­ti­gung, welche die Beklagte auf­grund drin­gen­der betrieblich­er Gründe ablehnte. Der Kläger forderte daraufhin die Zus­tim­mung der Beklagten zur Teilzeitar­beit und die Zahlung von Ent­gelt für die betr­e­f­fend­en Zeiträume.

Zusam­men­fas­sung der Urteilsbegründung:

Das Bun­de­sar­beits­gericht bestätigte die Entschei­dung des Lan­desar­beits­gerichts, wonach der Kläger einen Anspruch auf Zus­tim­mung zur Teilzeitbeschäf­ti­gung während der Elternzeit hat­te. Es wurde fest­gestellt, dass keine drin­gen­den betrieblichen Gründe vor­la­gen, die diesem Anspruch ent­ge­gen­standen. Eine analoge Anwen­dung des § 1 Abs. 5 KSchG, welch­er eine Ver­mu­tung drin­gen­der betrieblich­er Erfordernisse zulässt, wurde abgelehnt, da dies auf Kündi­gun­gen beschränkt ist und keine Anwen­dung auf Teilzei­tanträge während der Elternzeit findet.

Das Gericht stellte weit­er­hin fest, dass der Kläger Anspruch auf das geforderte Ent­gelt hat­te, da die Beklagte die Ver­weigerung der Zus­tim­mung zur Teilzeit zu vertreten hat­te. Ein unver­mei­d­bar­er Recht­sir­rtum wurde verneint, und die Beklagte kon­nte sich nicht erfol­gre­ich auf einen solchen berufen. Zudem wurde bestätigt, dass die Tar­i­flohn­er­höhung nicht auf die Zulage anzurech­nen war und die tar­ifver­traglichen Auss­chlussfris­ten gewahrt wurden.

Die Kosten des Rechtsstre­its wur­den auf­grund des Erfol­gs der nachrangig gel­tend gemacht­en Ansprüche des Klägers gegeneinan­der aufgehoben.

https://www.bundesarbeitsgericht.de/entscheidung/9‑azr-329–22

Beleidigende Äußerungen in einer WhatsApp-Gruppe und arbeitsrechtliche Konsequenzen (BAG, Urteil vom 24.08.2023, 2 AZR 17/23)

Zusam­men­fas­sung des Sachverhaltes:

Der Kläger, seit 1999 bei der Beklagten beschäftigt und zulet­zt als Grup­pen­leit­er in der Lager­l­ogis­tik tätig, war Mit­glied ein­er What­sApp-Chat­gruppe, die aus sieben Arbeit­nehmern bestand. In dieser Gruppe wur­den zwis­chen Novem­ber 2020 und Jan­u­ar 2021 belei­di­gende, frem­den­feindliche, sex­is­tis­che und men­schen­ver­ach­t­ende Äußerun­gen über Vorge­set­zte und Kol­le­gen getätigt, teils mit Aufrufen zur Gewalt. Die Inhalte gelangten durch ein aus­geschiedenes Mit­glied der Gruppe an die Unternehmensleitung. Daraufhin sprach die Beklagte eine außeror­dentliche Kündi­gung aus, die der Kläger gerichtlich anfecht­en wollte.

Zusam­men­fas­sung der Urteilsbegründung:

Das BAG hob das Urteil des Lan­desar­beits­gerichts teil­weise auf und ver­wies die Sache zur erneuten Ver­hand­lung zurück. Zen­tral war die Frage, ob die Äußerun­gen in der What­sApp-Gruppe einen hin­re­ichen­den Kündi­gungs­grund darstell­ten. Das BAG stellte fest, dass bei belei­di­gen­den und men­schen­ver­ach­t­en­den Äußerun­gen über Betrieb­sange­hörige in ein­er Gruppe von sieben Mit­gliedern eine beson­dere Begrün­dung nötig ist, warum der Kläger eine Ver­traulichkeit dieser Kom­mu­nika­tion annehmen durfte. Das Lan­desar­beits­gericht hat­te die Erwartung des Klägers auf Ver­traulichkeit der Kom­mu­nika­tion als gegeben ange­se­hen, jedoch ohne aus­re­ichende Begründung.

Das BAG betonte, dass das Lan­desar­beits­gericht rel­e­vante Aspek­te nicht berück­sichtigt hat­te, die für die Beurteilung ein­er berechtigten Ver­traulichkeit­ser­wartung entschei­dend sind. Unter anderem sei die Anzahl der Grup­pen­mit­glieder und die Art des Nachricht­e­naus­tauschs rel­e­vant, ins­beson­dere die tech­nis­che Möglichkeit des ein­fachen Weit­er­leit­ens von Nachrichten.

Das Gericht wies darauf hin, dass selb­st wenn der Kläger eine Ver­traulichkeit erwartet habe, dies nicht automa­tisch bedeutet, dass solch schwere Ver­fehlun­gen wie belei­di­gende oder gewalt­fördernde Äußerun­gen arbeit­srechtlich irrel­e­vant sind. Bei der erneuten Ver­hand­lung muss das Lan­desar­beits­gericht prüfen, ob die Kündi­gung unter Berück­sich­ti­gung aller Umstände gerecht­fer­tigt war.

https://www.bundesarbeitsgericht.de/entscheidung/2‑azr-17–23

Korrigierende Rückgruppierung und Anforderungen an die Eingruppierung (BAG, Urteil vom 16.08.2023, 4 AZR 339/22)

Zusam­men­fas­sung des Sachverhalts:

Die Klägerin, seit dem 30.09.2005 bei der Beklagten beschäftigt, wurde gemäß ihrem Arbeitsver­trag nach dem Bun­des-Angestell­tentar­ifver­trag (BAT) und entsprechen­den Tar­ifverträ­gen vergütet. Vom 15.09.2017 bis zum 20.09.2022 war sie als Sachge­bi­et­slei­t­erin “Finanzen und Abwick­lung Grund­stücksverkehr” tätig. Die Beklagte vergütete sie nach Ent­gelt­gruppe 10 Stufe 4 des TVöD/VKA. Die Klägerin forderte eine Höher­grup­pierung in Ent­gelt­gruppe 11 TVöD/VKA, rück­wirk­end zum Zeit­punkt der Über­tra­gung ihrer Tätigkeit, was die Beklagte ablehnte. Die Klägerin argu­men­tierte, ihre Tätigkeit hebe sich durch beson­dere Schwierigkeit und Bedeu­tung aus der Ent­gelt­gruppe 9c TVöD/VKA heraus.

Zusam­men­fas­sung der Urteilsbegründung:

Das Bun­de­sar­beits­gericht wies die Revi­sion der Klägerin zurück. Es bestätigte, dass die Klägerin durchge­hend nach Ent­gelt­gruppe 10 TVöD/VKA vergütet wurde und die Beklagte keine kor­rigierende Rück­grup­pierung vor­nahm. Daher trage die Klägerin die Beweis­last für die Erfül­lung der Anforderun­gen der höheren Entgeltgruppe.

Das Gericht erk­lärte, dass die Grund­sätze der kor­rigieren­den Rück­grup­pierung nur anwend­bar seien, wenn aus der bish­eri­gen Ein­grup­pierung zwin­gend die Voraus­set­zun­gen der geforderten höheren Ent­gelt­gruppe fol­gen. Dies sei hier nicht der Fall, da die Beklagte die Ein­grup­pierung nicht geän­dert hat­te und die Klägerin die Ein­grup­pierungskri­te­rien für Ent­gelt­gruppe 11 TVöD/VKA selb­st­ständig und eigen­ver­ant­wortlich dar­legen müsse.

Zudem sei die Klage bere­its für den Zeitraum vor dem 01.09.2020 unzuläs­sig, da die Klägerin keinen Anspruch auf Vergü­tung für diesen Zeitraum hat­te, weil sie ihre Ansprüche nicht inner­halb der sechsmonati­gen Auss­chlussfrist gel­tend gemacht hat­te. Das Gericht befand auch, dass die Klägerin ihre Tätigkeit­en nicht so dargelegt hat­te, dass ersichtlich wurde, wie sie sich durch beson­dere Bedeu­tung aus der Ent­gelt­gruppe 9c her­aus­ge­hoben hätte.

https://www.bundesarbeitsgericht.de/entscheidung/4‑azr-339–22

Verwertbarkeit von Daten aus offener Videoüberwachung und elektronischer Anwesenheitserfassung (BAG, Urteil vom 29.06.2023, 2 AZR 297/22)

Zusam­men­fas­sung des Sachverhaltes:

Der Kläger, ein Mitar­beit­er in ein­er Gießerei, wurde von der Beklagten beschuldigt, am 2. Juni 2018 eine Mehrar­beitss­chicht nicht geleis­tet zu haben, obwohl er sich dafür angemeldet und das Werks­gelände betreten hat­te. Er soll das Gelände vor Schicht­be­ginn ver­lassen und zudem die Anwe­sen­heit eines Kol­le­gen vor­getäuscht haben, indem er dessen Werk­sausweis am Karten­le­segerät ver­wen­dete. Die Beklagte kündigte daraufhin das Arbeitsver­hält­nis sowohl außeror­dentlich frist­los als auch ordentlich. Der Kläger wehrte sich gegen die Kündi­gung und behauptete, gear­beit­et zu haben. Er argu­men­tierte weit­er­hin, dass die Erken­nt­nisse aus der Videoüberwachung und der elek­tro­n­is­chen Anwe­sen­heit­ser­fas­sung einem Ver­w­er­tungsver­bot unter­liegen sollten.

Zusam­men­fas­sung der Urteilsbegründung:

Das Bun­de­sar­beits­gericht hob das Urteil des Lan­desar­beits­gerichts teil­weise auf und ver­wies den Fall zurück. Das Gericht stellte fest, dass Dat­en aus ein­er offe­nen Videoüberwachung und ein­er elek­tro­n­is­chen Anwe­sen­heit­ser­fas­sung grund­sät­zlich im Prozess ver­w­ert­bar sind, solange diese Maß­nah­men den betrof­fe­nen Mitar­beit­ern bekan­nt und sicht­bar waren. Es wurde entsch­ieden, dass kein generelles Ver­w­er­tungsver­bot für Dat­en aus recht­mäßi­gen Überwachungs­maß­nah­men beste­ht, ins­beson­dere wenn sie zur Aufk­lärung schw­er­wiegen­der Pflichtver­let­zun­gen dienen. Das Gericht erk­lärte auch, dass die Überwachung selb­st bei ein­er eventuellen Nichter­fül­lung von Infor­ma­tion­spflicht­en (nach DSGVO) nicht automa­tisch zu einem Ver­w­er­tungsver­bot führt, solange die Überwachung offen erfol­gte und die betrof­fene Per­son von der Überwachung wusste oder wis­sen konnte.

Des Weit­eren hat das Gericht darauf hingewiesen, dass eine erneute Prü­fung des Sachver­halts nötig ist, um festzustellen, ob der Kläger die Mehrar­beitss­chicht tat­säch­lich geleis­tet hat. Es wurde auch klargestellt, dass Argu­mente bezüglich eines Ver­w­er­tungsver­bots auf­grund eines Mis­sacht­ens von Mitbes­tim­mungsrecht­en des Betrieb­srats nicht greifen, da die gerichtliche Ver­wen­dung von Dat­en nicht in der Dis­po­si­tion der Betrieb­sparteien steht.

https://www.bundesarbeitsgericht.de/entscheidung/2‑azr-297–22

Beweiswert von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen bei Entgeltfortzahlung (BAG, Urteil vom 28.06.2023, 5 AZR 335/22)

Zusam­men­fas­sung des Sachverhaltes:

Der Kläger war als tech­nis­ch­er Sach­bear­beit­er bei der Beklagten beschäftigt, die in der Per­son­alver­mit­tlung und ‑ver­leih tätig ist. Nach sein­er Kündi­gung legte der Kläger für den Zeitraum vom 7. bis 30. Sep­tem­ber 2020 zwei Arbeit­sun­fähigkeits­bescheini­gun­gen vor, die eine Arbeit­sun­fähigkeit wegen Gelenkschmerzen in der Schul­ter­re­gion bestätigten. Der Kläger forderte daraufhin die Fortzahlung seines Ent­gelts für diese Zeit, da er auf­grund der Arbeit­sun­fähigkeit nicht arbeit­en konnte.

Zusam­men­fas­sung der Urteilsbegründung:

Das Bun­de­sar­beits­gericht bestätigte die Entschei­dun­gen der Vorin­stanzen, die dem Kläger Ent­gelt­fortzahlung zus­prachen. Es wurde fest­gestellt, dass die vom Kläger ein­gere­icht­en Arbeit­sun­fähigkeits­bescheini­gun­gen einen hohen Beweiswert hat­ten und die Beklagte diesen nicht aus­re­ichend erschüt­tern kon­nte. Es wurde betont, dass Arbeit­sun­fähigkeits­bescheini­gun­gen als zen­trales Beweis­mit­tel für krankheits­be­d­ingte Arbeit­sun­fähigkeit gel­ten. Ein „bloßes Bestre­it­en“ der Arbeit­sun­fähigkeit mit Nichtwissen durch den Arbeit­ge­ber sei nicht aus­re­ichend, um den Beweiswert der Bescheini­gun­gen zu erschüttern.

Die Beklagte hat­te argu­men­tiert, dass die Bescheini­gun­gen nicht den Vor­gaben der Arbeit­sun­fähigkeits-Richtlin­ie entsprächen, da die Symp­tome nicht inner­halb von sieben Tagen durch eine Diag­nose erset­zt wur­den. Das Gericht stellte jedoch fest, dass die ICD-10-Codes, die in den Bescheini­gun­gen angegeben waren, tat­säch­lich spez­i­fis­che Diag­nosen darstell­ten. Des Weit­eren wurde klargestellt, dass Ver­stöße gegen bes­timmte for­male Vor­gaben der Arbeit­sun­fähigkeits-Richtlin­ie, die primär das Abrech­nungsrecht betr­e­f­fen, nicht den Beweiswert der Bescheini­gun­gen beeinträchtigen.

Die Revi­sion der Beklagten wurde zurück­gewiesen, und sie wurde verurteilt, die Kosten des Revi­sionsver­fahrens zu tra­gen. Das Gericht hob her­vor, dass die ärztliche Beurteilung der Arbeit­sun­fähigkeit, auch wenn sie auf sub­jek­tiv­en Schilderun­gen des Patien­ten basiert, grund­sät­zlich einen hohen Beweiswert hat.

https://www.bundesarbeitsgericht.de/entscheidung/5‑azr-335–22

Berechnung der betrieblichen Altersversorgung nach Teilzeitbeschäftigung (BAG, Urteil vom 20.06.2023, 3 AZR 221/22)

Zusam­men­fas­sung des Sachverhaltes:

Die Klägerin, geboren 1964, war von August 1984 bis Sep­tem­ber 2020 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgän­gerin­nen beschäftigt. Nach ein­er Vol­lzeitbeschäf­ti­gung bis März 2005 wech­selte sie zu ein­er Teilzeitar­beit mit 17,5 Stun­den pro Woche. Im Rah­men der betrieblichen Altersver­sorgung nach den RL 1995 wurde ihr mit­geteilt, dass für die Berech­nung der Altersver­sorgung der Beschäf­ti­gung­sum­fang der let­zten zehn Jahre maßge­blich sei. Die Klägerin forderte, dass stattdessen der Beschäf­ti­gung­sum­fang während der gesamten Dien­stzeit berück­sichtigt wird, um die Alter­srente zu berechnen.

Zusam­men­fas­sung der Urteilsbegründung:

Das Bun­de­sar­beits­gericht wies die Revi­sion der Klägerin ab. Es bestätigte die Berech­nung der betrieblichen Altersver­sorgung, die auf den let­zten zehn Jahren der Beschäf­ti­gung basiert, wie in den Richtlin­ien für die Gewährung von Ver­sorgungsleis­tun­gen fest­gelegt. Das Gericht erk­lärte, dass die Regelung, die die let­zte Arbeit­szeit berück­sichtigt, keinen Ver­stoß gegen das Teilzeit- und Befris­tungs­ge­setz (TzBfG) darstellt. Auch liegt keine Diskri­m­inierung vor, da die Regelun­gen zur betrieblichen Altersver­sorgung, die auf den let­zten zehn Dien­st­jahren basieren, sowohl mit dem nationalen als auch mit dem EU-Recht vere­in­bar sind.

Das Gericht betonte, dass die betriebliche Altersver­sorgung, die auf dem Endge­halt basiert, die Betrieb­streue würdigt und den Ver­sorgungs­be­darf bew­ertet. Die Ver­wen­dung des Durch­schnitts der let­zten zehn Jahre als Berech­nungs­grund­lage für die Altersver­sorgung wurde als angemessen und gerecht­fer­tigt ange­se­hen, da sie den Lebens­stan­dard, der sich während dieser Zeit ver­fes­tigt hat, widerspiegelt.

https://www.bundesarbeitsgericht.de/entscheidung/3‑azr-221–22

Diskriminierung schwerbehinderter Bewerber bei der Stellenbesetzung (BAG, Urteil vom 14.06.2023, 8 AZR 136/22)

Zusam­men­fas­sung des Sachverhaltes:

Der Kläger, ein studiert­er Wirtschaftswis­senschaftler und schwer­be­hin­dert, bewarb sich auf eine Stelle als “Scrum Mas­ter Ener­gy”. Trotz sein­er Qual­i­fika­tio­nen und expliziten Hin­weis­es auf seine Schwer­be­hin­derung erhielt er eine Absage. Der Kläger ver­mutete eine Diskri­m­inierung auf­grund sein­er Schwer­be­hin­derung und machte einen Entschädi­gungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG gel­tend, ins­beson­dere da die Beklagte ver­säumt hat­te, den Betrieb­srat gemäß § 164 Abs. 1 Satz 4 SGB IX unverzüglich zu informieren.

Zusam­men­fas­sung der Urteilsbegründung:

Das Bun­de­sar­beits­gericht gab dem Kläger teil­weise Recht. Es stellte fest, dass der Kläger durch die Nicht­berück­sich­ti­gung sein­er Bewer­bung diskri­m­iniert wurde, da die Beklagte es ver­säumt hat­te, den Betrieb­srat rechtzeit­ig zu informieren, was die Ver­mu­tung ein­er Benachteili­gung wegen der Schwer­be­hin­derung begrün­det. Der Beklagten gelang es nicht, diese Ver­mu­tung zu wider­legen. Weit­er­hin wurde das Argu­ment der Beklagten, der Kläger han­dle rechtsmiss­bräuch­lich, da er sich nur bewor­ben habe, um im Falle ein­er Ablehnung Schadenser­satzansprüche gel­tend zu machen, zurück­gewiesen. Das Gericht verurteilte die Beklagte zur Zahlung ein­er Entschädi­gung von 7.500 Euro. Diese Summe entspricht 1,5 Brut­tomonats­ge­häl­tern und soll sowohl den imma­teriellen Schaden des Klägers kom­pen­sieren als auch eine abschreck­ende Wirkung erzielen.

https://www.bundesarbeitsgericht.de/entscheidung/8‑azr-136–22

Abberufung eines Datenschutzbeauftragten: Anforderungen und Voraussetzungen (BAG, Urteil vom 06.06.2023, 9 AZR 621/19)

Zusam­men­fas­sung des Sachverhaltes:

Der Kläger wurde von der beklagten Kör­per­schaft des öffentlichen Rechts, die Dien­stleis­tun­gen für Kom­munen im Bere­ich des Bun­desrechts aus­führt, im Jahr 2004 zum Daten­schutzbeauf­tragten bestellt. Mit der Ein­führung der Daten­schutz-Grund­verord­nung (DSGVO) im Mai 2018 emp­fahl der Säch­sis­che Lan­des­daten­schutzbeauf­tragte eine Anpas­sung der Bestel­lun­gen der Daten­schutzbeauf­tragten. Daraufhin berief die Beklagte den Kläger im August 2018 ab, gegen was der Kläger gerichtlich vorge­ht. Er ver­tritt die Auf­fas­sung, dass seine Abberu­fung einen wichti­gen Grund erfordere, der nicht vorliege.

Zusam­men­fas­sung der Urteilsbegründung:

Das Bun­de­sar­beits­gericht hebt das Urteil des Säch­sis­chen Lan­desar­beits­gerichts auf und ver­weist den Fall zur erneuten Ver­hand­lung und Entschei­dung zurück. Es bestätigt, dass die Abberu­fung eines Daten­schutzbeauf­tragten der Zus­tim­mung zu einem wichti­gen Grund bedarf, wie es § 6 Abs. 4 Satz 1 BDSG in Anlehnung an § 626 Abs. 1 BGB vor­sieht. Das Gericht erk­lärt, dass diese Regelung mit der DSGVO kon­form geht, da sie die Unab­hängigkeit und Effek­tiv­ität des Daten­schutzbeauf­tragten schützt, ohne die Ziele der DSGVO zu beeinträchtigen.

Das Lan­desar­beits­gericht muss nun prüfen, ob die vom Kläger aus­geübten Tätigkeit­en und seine beru­fliche Posi­tion Inter­essenkon­flik­te erzeu­gen, die einen wichti­gen Grund für seine Abberu­fung darstellen kön­nten. Weit­er­hin ist zu klären, ob mildere Mit­tel als die Abberu­fung, wie eine Umor­gan­i­sa­tion sein­er Auf­gaben, möglich gewe­sen wären, um die Unab­hängigkeit des Daten­schutzbeauf­tragten zu gewährleisten.

https://www.bundesarbeitsgericht.de/entscheidung/9‑azr-621–19

Maßregelungsverbot bei der Erstellung von Arbeitszeugnissen (BAG, Versäumnisurteil vom 06.06.2023, 9 AZR 272/22)

Zusam­men­fas­sung des Sachverhaltes:

Die Klägerin war von August 2017 bis Feb­ru­ar 2021 bei der Beklagten beschäftigt und ver­langte eine Kor­rek­tur ihres Arbeit­szeug­niss­es, ins­beson­dere hin­sichtlich der Bew­er­tung ihres Arbeits- und Sozialver­hal­tens. Nach mehrfachen Änderun­gen enthielt die let­zte Ver­sion des Zeug­niss­es nicht mehr die ursprünglich aufgenommene Dankes- und Wun­schformel. Die Klägerin sah darin eine Ver­let­zung des Maßregelungsver­bots gemäß § 612a BGB, da die Beklagte diese Formel nach erfol­gten Kor­rek­turen wegließ.

Zusam­men­fas­sung der Urteilsbegründung:

Das Bun­de­sar­beits­gericht wies die Revi­sion der Beklagten ab und bestätigte die Entschei­dun­gen der Vorin­stanzen. Es stellte fest, dass das Maßregelungsver­bot auch nach Beendi­gung des Arbeitsver­hält­niss­es greife, ins­beson­dere im Kon­text der Zeug­nis­er­stel­lung. Die Beklagte hat­te die Klägerin benachteiligt, indem sie die Dankes- und Wun­schformel in der let­zten Zeug­nisver­sion wegließ, obwohl diese For­mulierun­gen in den vorheri­gen Ver­sio­nen enthal­ten waren. Das Gericht urteilte, dass das Weglassen der Formel als Reak­tion auf die Recht­sausübung der Klägerin zur Zeug­nisko­r­rek­tur eine unzuläs­sige Maßregelung darstellte.

Das Gericht argu­men­tierte, dass der Arbeit­ge­ber an den ein­mal im Zeug­nis zum Aus­druck gebracht­en Dank und die guten Wün­sche grund­sät­zlich gebun­den sei, solange keine neuen Umstände eine Änderung recht­fer­ti­gen. Die Beklagte kon­nte keine solchen Umstände dar­legen, was zu der Fest­stel­lung führte, dass sie die Klägerin in rechtswidriger Weise benachteiligte, indem sie die bere­its gewährte Dankes- und Wun­schformel in der finalen Fas­sung des Zeug­niss­es entfernte.

https://www.bundesarbeitsgericht.de/entscheidung/9‑azr-272–22

Unvereinbarkeit von Betriebsratsvorsitz und Datenschutzbeauftragung (BAG, Urteil vom 06.06.2023, 9 AZR 383/19)

Zusam­men­fas­sung des Sachverhaltes:

Der Kläger, seit 1993 bei der Beklagten beschäftigt, fungiert als Betrieb­sratsvor­sitzen­der und wurde zusät­zlich zum Daten­schutzbeauf­tragten bestellt. Der Thüringer Lan­des­beauf­tragte für Daten­schutz äußerte Bedenken bezüglich der Vere­in­barkeit dieser Ämter und der daraus resul­tieren­den Zuver­läs­sigkeit des Klägers. Die Beklagte wider­ruft daraufhin die Bestel­lung als Daten­schutzbeauf­tragten und beruft den Kläger ab, woge­gen dieser klagt.

Zusam­men­fas­sung der Urteilsbegründung:

Das BAG hebt die Vorin­stanzen auf und gibt der Revi­sion der Beklagten statt, indem es die Klage des Klägers abweist. Das Gericht erken­nt, dass die par­al­lele Ausübung der Ämter des Betrieb­sratsvor­sitzen­den und des Daten­schutzbeauf­tragten zu unau­flös­baren Inter­essenkon­flik­ten führt, die die notwendi­ge Unab­hängigkeit des Daten­schutzbeauf­tragten gefährden. Ins­beson­dere wird darauf hingewiesen, dass der Betrieb­sratsvor­sitzende maßge­blich die Ver­ar­beitung per­so­n­en­be­zo­gen­er Dat­en bee­in­flussen kann, was sein­er Funk­tion als neu­traler Daten­schutzbeauf­tragter wider­spricht. Daher war der Wider­ruf der Bestel­lung recht­mäßig, um die daten­schutzrechtliche Integrität zu wahren. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstre­its zu tragen.

https://www.bundesarbeitsgericht.de/entscheidung/9‑azr-383–19

Wirksamkeit von Kündigungen im Rahmen von Betriebsübergängen bei Luftverkehrsunternehmen (BAG, Urteil vom 01.06.2023, 2 AZR 150/22)

Zusam­men­fas­sung des Sachverhalts:

Der Kläger, ein Flugkapitän, war bei einem öster­re­ichis­chen Luftverkehrsun­ternehmen angestellt, das Teil des Ryanair-Konz­erns ist und eine Basis in Düs­sel­dorf unter­hielt. Im Rah­men ein­er Umstruk­turierung kündigte das Unternehmen, dass es seine Flu­gak­tiv­itäten ein­stellt und die Aktiv­itäten auf eine neu gegrün­dete Fir­ma inner­halb des Konz­erns überträgt, die in Mal­ta reg­istri­ert ist. Der Kläger erhielt ein Ange­bot der neuen Fir­ma unter den gle­ichen Arbeits­be­din­gun­gen weit­erzuar­beit­en, woge­gen er sich mit der Begrün­dung wehrte, dass ein Betrieb­süber­gang stattge­fun­den habe.

Zusam­men­fas­sung der Urteilsbegründung:

Das Bun­de­sar­beits­gericht wies die Revi­sion des Klägers ab und bestätigte die Wirk­samkeit der Kündi­gun­gen. Es wurde fest­gestellt, dass kein Betrieb­süber­gang im Sinne des § 613a BGB vor­lag, da die wirtschaftliche Ein­heit ihre Iden­tität nicht bewahrte und die neue Fir­ma keine Betrieb­stätigkeit in Deutsch­land auf­nahm. Die Kündi­gun­gen waren sozial gerecht­fer­tigt, da das ursprüngliche Unternehmen seinen Betrieb in Deutsch­land voll­ständig ein­stellte und keine Beschäf­ti­gungsmöglichkeit für den Kläger mehr bestand. Das Gericht betonte auch, dass der Betrieb­s­be­griff eines Luftverkehrs­be­triebs die Gesamtheit der an inländis­chen Flughäfen sta­tion­ierten Luft­fahrzeuge eines Luftverkehrsun­ternehmens bildet.

https://www.bundesarbeitsgericht.de/entscheidung/2‑azr-150–22

Bewertung des privaten Dienstwagennutzens und dessen Auswirkungen auf die Nettovergütung (BAG, Urteil vom 31.05.2023, 5 AZR 273/22)

Zusam­men­fas­sung des Sachverhaltes:

Der Kläger, beschäftigt in der Mar­ketingabteilung der Beklagten, nutzte einen ihm über­lasse­nen Dienst­wa­gen auch pri­vat. Es ent­stand Stre­it über die kor­rek­te Berech­nung der Net­tovergü­tungs­d­if­feren­zen, da der Kläger behauptete, die Beklagte habe die Pfän­dungs­gren­zen nicht beachtet. Der Dienst­wa­gen wurde als Sach­bezug gew­ertet, wobei strit­tig war, ob auch der Zuschlag für Fahrten zwis­chen Woh­nung und Arbeitsstätte (0,03 %-Regel) einzubeziehen ist.

Zusam­men­fas­sung der Urteilsbegründung:

Das Bun­de­sar­beits­gericht entsch­ied, dass bei der Bew­er­tung des Sach­bezugs eines Dienst­wa­gens zur pri­vat­en Nutzung lediglich 1 % des Lis­ten­preis­es zu berück­sichti­gen sei, ohne die 0,03 %-Regel für Fahrten zwis­chen Woh­nung und Arbeitsstätte. Diese Regelung dient steuer­rechtlich lediglich der Kom­pen­sa­tion eines pauschalen Wer­bungskosten­abzugs und stellt keinen zusät­zlichen geld­w­erten Vorteil dar.

Die Revi­sion der Beklagten war erfol­gre­ich, da das Lan­desar­beits­gericht fälschlicher­weise den 0,03 %-Wert mit ein­be­zo­gen hat­te. Das Urteil wurde aufge­hoben und die Sache zur Neube­w­er­tung zurück­ver­wiesen. Das Lan­desar­beits­gericht muss nun prüfen, ob unter Berück­sich­ti­gung des kor­rek­ten Sach­bezugswerts die Pfän­dungs­gren­zen einge­hal­ten wur­den. Dabei sind auch die Unter­halt­spflicht­en des Klägers und eventuelle frei­willige Kranken- und Pflegev­er­sicherungs­beiträge einzubeziehen.

https://www.bundesarbeitsgericht.de/entscheidung/5‑azr-273–22

Ausschluss eines Betriebsratsmitglieds bei Verletzung gesetzlicher Pflichten trotz Restmandats (BAG, Beschluss vom 24.05.2023, 7 ABR 21/21)

Zusam­men­fas­sung des Sachverhaltes:

Die Antrag­stel­lerin­nen, zwei Unternehmen der D‑Unternehmensgruppe, stre­it­en mit dem Betrieb­srat und dessen Vor­sitzen­dem haupt­säch­lich über die Auflö­sung des rest­man­datierten Betrieb­srats und hil­f­sweise über dessen Auss­chluss aus dem Betrieb­srat. Der Betrieb in P wurde zum 30. April 2019 still­gelegt. Vor der Schließung ver­sandte der Betrieb­sratsvor­sitzende Infor­ma­tio­nen zu Kündi­gungss­chutzver­fahren an externe Anwälte und ermöglichte über einen Link den Zugriff auf umfan­gre­iche Dat­en ohne Pass­wortschutz. Die Arbeit­ge­berin­nen sehen darin eine grobe Ver­let­zung der geset­zlichen Pflicht­en des Betrieb­srats und seines Vorsitzenden.

Zusam­men­fas­sung der Urteilsbegründung:

Das Bun­de­sar­beits­gericht entsch­ied, dass die Rechts­beschw­erde der Arbeit­ge­berin­nen teil­weise Erfolg hat. Es wurde fest­gestellt, dass ein rest­man­datiert­er Betrieb­srat, der nach dem Unter­gang eines Betriebes noch beste­ht, nicht aufgelöst wer­den kann. Eine Auflö­sung nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BetrVG ist dem­nach nicht möglich, weil das Rest­man­dat nicht dem vol­lum­fänglichen Man­dat eines Betrieb­srats entspricht und nur auf spez­i­fis­che Auf­gaben bezo­gen ist, die direkt mit dem Unter­gang des Betriebs zusammenhängen.

Für den Auss­chluss eines Betrieb­sratsmit­glieds aus dem rest­man­datierten Betrieb­srat wurde entsch­ieden, dass dieser möglich ist, wenn eine grobe Pflichtver­let­zung vor­liegt, die den Auss­chluss recht­fer­tigt. Die Frage, ob der Vor­sitzende des Betrieb­srats tat­säch­lich grobe Pflichtver­let­zun­gen began­gen hat, kon­nte auf Basis der bish­eri­gen Fest­stel­lun­gen nicht abschließend gek­lärt wer­den. Deshalb wurde die Sache zur weit­eren Klärung und Entschei­dung zurück an das Lan­desar­beits­gericht ver­wiesen. Der Auss­chluss aus dem Betrieb­srat bet­rifft in diesem Fall die Wahrnehmung des Rest­man­dats, nicht das gesamte Mit­glied des Gremiums.

Zusät­zlich wurde betont, dass das Vorhan­den­sein des Rest­man­dats keine uneingeschränk­te Befug­nis für Pflichtver­let­zun­gen bietet. Grobe Pflichtver­let­zun­gen, die indi­vidu­ellen Mit­gliedern zurechen­bar sind, kön­nen weit­er­hin zu per­son­ellen Kon­se­quen­zen führen.

https://www.bundesarbeitsgericht.de/entscheidung/7‑abr-21–21

Auskunftsanspruch des Betriebsrats über schwerbehinderte und gleichgestellte Arbeitnehmer (BAG, Beschluss vom 09.05.2023, 1 ABR 14/22)

Zusam­men­fas­sung des Sachverhaltes:

Die Beteiligten stre­it­en über den Auskun­ft­sanspruch des Betrieb­srats bezüglich der im Betrieb und Unternehmen beschäftigten schwer­be­hin­derten und diesen gle­ichgestell­ten Men­schen. Die Arbeit­ge­berin, eine Entsorgungs­di­en­stleis­terin, hat­te lediglich mit­geteilt, dass der Schwellen­wert für die Wahl ein­er Schwer­be­hin­derten­vertre­tung erre­icht sei, ohne weit­ere Details zu nen­nen. Der Betrieb­srat ver­langte daraufhin die Namen und Anzahl aller rel­e­van­ten Arbeit­nehmer, um seine Auf­gaben gemäß §§ 80 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG, 164 Abs. 4 und 5 SGB IX nachzukom­men, was von der Arbeit­ge­berin abgelehnt wurde.

Zusam­men­fas­sung der Urteilsbegründung:

Das BAG bestätigte den Auskun­ft­sanspruch des Betrieb­srats und wies die Rechts­beschw­erde der Arbeit­ge­berin teil­weise zurück. Der Betrieb­srat benötigt diese Dat­en, um seine geset­zlichen Auf­gaben zu erfüllen, ins­beson­dere zur Überwachung der Ein­hal­tung der Beschäf­ti­gungspflicht­en gegenüber schwer­be­hin­derten und gle­ichgestell­ten Arbeit­nehmern und der behin­derungs­gerecht­en Ausstat­tung der Arbeit­splätze. Daten­schutzrechtliche Bedenken standen dem Auskun­ft­sanspruch nicht ent­ge­gen, da die Weit­er­gabe der Dat­en gemäß § 26 BDSG zuläs­sig ist und der Betrieb­srat geeignete Maß­nah­men zum Schutz der Dat­en vorge­se­hen hat.

Der Unter­las­sungsantrag des Betrieb­srats wurde als unzuläs­sig abgewiesen, da er inhaltlich iden­tisch mit dem Auskun­ft­sanspruch war und somit keine eigen­ständi­ge rechtliche Bew­er­tung erforderte. Der Antrag auf Andro­hung eines Ord­nungs­geldes war dem Gericht somit nicht zur Entschei­dung vorgelegt worden.

https://www.bundesarbeitsgericht.de/entscheidung/1‑abr-14–22

Bahnreisezeiten als Arbeitszeit bei Fahrzeugüberführung (VG Lüneburg, Urteil vom 02.05.2023, Az.: 3 A 146/22)

Zusam­men­fas­sung des Sachverhaltes:

Die Klägerin, ein Spedi­tion­sun­ternehmen, spezial­isiert auf die Über­führung von Fahrzeu­gen, nutzt dazu fes­tangestellte Arbeit­nehmer, die die Fahrzeuge per Bah­n­reise von ver­schiede­nen Start- zu Zielorten über­führen. Diese Reisen schließen die Zeit­en für den Weg vom Wohnort zum Abholort und zurück ein. Die Klägerin berück­sichtigte diese Reisezeit­en nicht als Arbeit­szeit, was durch eine Über­prü­fung des Beklagten, der zuständi­gen Auf­sichts­be­hörde, kri­tisiert wurde. Der Beklagte forderte die Klägerin auf, entsprechende Arbeit­szeit­nach­weise zu erstellen und vorzule­gen, was die Klägerin zurück­wies und stattdessen Klage erhob. Sie argu­men­tierte, dass die Reisezeit­en nicht der Arbeit­szeit zuzurech­nen seien und dass ihre Arbeit­nehmer während der Bah­n­reisen nicht ver­gle­ich­bar belastet wür­den wie bei direk­ten Fahrten zu Kunden.

Zusam­men­fas­sung der Urteilsbegründung:

Das VG Lüneb­urg wies die Klage ab und bestätigte die Auf­fas­sung des Beklagten, dass die Bah­n­reisezeit­en der Arbeit­nehmer als Arbeit­szeit­en anzuse­hen sind. Dies begrün­dete das Gericht mit der europäis­chen Arbeit­szeitrichtlin­ie und der Recht­sprechung des EuGH. Dem­nach gehören die Fahrten, die die Beschäftigten ohne fes­ten Arbeit­sort zwis­chen ihrem Wohnort und dem Ort der ersten bzw. let­zten Tätigkeit des Tages zurück­le­gen, zur Arbeit­szeit. Das Gericht stellte fest, dass die Arbeit­nehmer während der Bah­n­fahrten nicht frei über ihre Zeit ver­fü­gen kön­nen, da sie sich am Arbeit­sprozess beteili­gen, indem sie Über­führungspa­piere und Aus­rüs­tung trans­portieren und in Kom­mu­nika­tion mit dem Arbeit­ge­ber ste­hen müssen. Die Entschei­dung unter­strich zudem, dass die Reisezeit­en inte­graler Bestandteil der geschulde­ten Hauptleis­tung sind und somit nicht als Ruhezeit gew­ertet wer­den kön­nen. Des Weit­eren wurde die Klägerin verpflichtet, diese Zeit­en zu doku­men­tieren und dem Beklagten vorzule­gen, was eben­falls recht­mäßig sei, um die Ein­hal­tung des Arbeit­szeit­ge­set­zes sicherzustellen. Die Klägerin wurde außer­dem zu den Kosten des Ver­fahrens verurteilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

https://www.iww.de/quellenmaterial/id/235793

Arbeitnehmerstatus in spiritueller Gemeinschaft bei Vereinsmitgliedschaft (BAG, Urteil vom 25.04.2023, 9 AZR 253/22)

Zusam­men­fas­sung des Sachverhaltes:

Die Klägerin, eine Volljuristin, war als Mit­glied (Seva­ka) in ein­er spir­ituellen Gemein­schaft, die von einem gemein­nützi­gen Vere­in geführt wird, tätig. Ihr Ver­trag mit dem Vere­in sah vor, dass sie kein Arbeitsver­hält­nis begrün­det, son­dern eine Mit­glied­schaft in der spir­ituellen Gemein­schaft einge­ht. Im Rah­men ihrer Mit­glied­schaft führte sie ver­schiedene Tätigkeit­en durch, die als Seva (selb­st­los­er Dienst) beze­ich­net wur­den. Dafür erhielt sie Kost und Logis sowie ein monatlich­es Taschen­geld. Die Klägerin behauptet, dass ihre Tätigkeit­en den Anforderun­gen eines Arbeitsver­hält­niss­es entsprechen und fordert die Zahlung des geset­zlichen Min­dest­lohns für ihre Dienste.

Zusam­men­fas­sung der Urteilsbegründung:

Das Bun­de­sar­beits­gericht stellte fest, dass die Klägerin trotz ihrer for­malen Vere­ins­mit­glied­schaft in einem Arbeitsver­hält­nis zum Beklagten stand, da sie weisungs­ge­bun­dene, fremdbes­timmte Arbeit in per­sön­lich­er Abhängigkeit geleis­tet hat. Das Gericht wies darauf hin, dass der Ver­trag materiell auf die Erbringung solch­er Arbeit aus­gerichtet war und die dafür vorge­se­henen Kom­pen­sa­tio­nen (Kost, Logis, Taschen­geld) im Kern einem Arbeit­sent­gelt entsprachen. Die spir­ituelle Aus­rich­tung und die for­male Vere­ins­mit­glied­schaft ändern daran nichts, da der Vere­in wed­er als Reli­gions- noch als Weltan­schau­ungs­ge­mein­schaft anerkan­nt wird, die solche Arrange­ments recht­fer­ti­gen kön­nte. Das Gericht hob das Urteil des Lan­desar­beits­gerichts auf und ver­wies den Fall zur weit­eren Klärung der genauen Arbeitsstun­den und der entsprechen­den Vergü­tung zurück an das Landesarbeitsgericht.

https://www.bundesarbeitsgericht.de/entscheidung/9‑azr-253–22

Anspruch auf Mindesturlaub — Verjährung und Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers (BAG, Urteil vom 20.12.2022, 9 AZR 266/20)

Zusam­men­fas­sung des Sachverhaltes:

Die Klägerin war vom 1. Novem­ber 1996 bis zum 31. Juli 2017 als Steuer­fachangestellte und Bilanzbuch­hal­terin beim Beklagten beschäftigt. Sie hat­te einen jährlichen Urlaub­sanspruch von 24 Arbeit­sta­gen und arbeit­ete wöchentlich 32 Stun­den an vier Tagen. Nach Beendi­gung des Arbeitsver­hält­niss­es ver­langte sie die Abgel­tung von 101 Urlaub­sta­gen, die aus ihrer Sicht nicht ver­fall­en waren, da der Beklagte sie nicht aus­re­ichend über ihren Urlaub­sanspruch informiert und sie nicht zur Urlaub­nahme aufge­fordert hat­te. Der Beklagte argu­men­tierte, dass der Urlaub ver­fall­en sei und ein Teil der Ansprüche ver­jährt wäre.

Zusam­men­fas­sung der Urteilsbegründung:

Das BAG wies die Revi­sion des Beklagten zurück und bestätigte die Entschei­dung des Lan­desar­beits­gerichts Düs­sel­dorf. Es führte aus, dass Urlaub­sansprüche der Klägerin aus den Jahren 2011 bis 2017 wed­er ver­fall­en noch ver­jährt waren. Der geset­zliche Min­desturlaub unter­liege zwar der Ver­jährung, jedoch beginne diese erst, wenn der Arbeit­ge­ber den Arbeit­nehmer tat­säch­lich in die Lage ver­set­zt habe, seinen Urlaub­sanspruch wahrzunehmen. Dies bein­halte, dass der Arbeit­ge­ber den Arbeit­nehmer aktiv auf­fordern müsse, den Urlaub zu nehmen, und ihn klar darauf hin­weisen müsse, dass der Urlaub ver­fall­en könne, falls dieser nicht genom­men wird. Diese Mitwirkung­sobliegen­heit­en des Arbeit­ge­bers seien Voraus­set­zung dafür, dass Urlaub­sansprüche am Jahre­sende ver­fall­en kön­nten. Da der Beklagte diese Obliegen­heit­en nicht erfüllt hat­te, waren die Urlaub­sansprüche der Klägerin zum Zeit­punkt der Beendi­gung des Arbeitsver­hält­niss­es nicht ver­fall­en und die Ver­jährung der Ansprüche hat­te noch nicht begonnen.

Das Gericht stellte außer­dem fest, dass der Arbeit­ge­ber keine Einre­den der Ver­jährung gel­tend machen kon­nte, weil er es ver­säumt hat­te, seine Mitwirkungspflicht­en zu erfüllen. Der Arbeit­ge­ber könne sich nicht auf Ver­trauenss­chutz berufen, da die Recht­sprechung keine rück­wirk­enden Aus­nah­men für bere­its ent­standene Ansprüche zuließe. Somit war der Beklagte zur Abgel­tung der nicht genomme­nen Urlaub­stage verpflichtet.

https://www.bundesarbeitsgericht.de/entscheidung/9‑azr-266–20

Urlaubsansprüche bei dauerhafter Erwerbsminderung (BAG, Urteil vom 20.12.2022, 9 AZR 245/19)

Zusam­men­fas­sung des Sachverhaltes:

Der Kläger, seit dem 10. April 2000 als Fracht­fahrer bei der Beklagten, ein­er Flughafen­be­treiberge­sellschaft, beschäftigt, und anerkan­nt schwer­be­hin­dert, begehrte die Fest­stel­lung, dass ihm noch Urlaub­stage aus den Jahren 2010, 2011 und 2014 zuste­hen. Die Anwen­dung des Tar­ifver­trags TVöD‑F führte zu einem jährlichen Urlaub­sanspruch von 30 Tagen. Wegen voller Erwerb­s­min­derung wurde ihm ab Dezem­ber 2014 eine Rente bewil­ligt. Der Kläger argu­men­tierte, die Urlaub­sansprüche seien nicht ver­fall­en, da die Beklagte ihren Mitwirkung­sobliegen­heit­en nicht nachgekom­men sei.

Das Bun­de­sar­beits­gericht entsch­ied, dass die Beru­fung des Klägers bezüglich der Urlaub­sansprüche aus den Jahren 2010 und 2011 unzuläs­sig war, da er sich nicht aus­re­ichend mit den Entschei­dungs­grün­den des Arbeits­gerichts auseinan­derge­set­zt hat­te. In Bezug auf das Jahr 2014 war die Revi­sion teil­weise begrün­det. Der Kläger hat­te Anspruch auf 24 Urlaub­stage, da die Beklagte ihre Mitwirkung­sobliegen­heit­en nicht erfüllt hatte.

Zusam­men­fas­sung der Urteilsbegründung:

Das Gericht führte aus, dass die Ansprüche auf geset­zlichen Min­desturlaub nur unter bes­timmten Voraus­set­zun­gen ver­fall­en kön­nen. Ins­beson­dere müssen Arbeit­ge­ber ihre Mitwirkung­sobliegen­heit­en erfüllen, um den Ver­fall des Urlaub­sanspruchs zu begrün­den. Im Fall des Klägers waren die Urlaub­sansprüche aus dem Jahr 2014 nicht ver­fall­en, da der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub, den er erwor­ben hat­te, bevor er voll erwerb­s­ge­mindert wurde, nur dann nach Ablauf eines Über­tra­gungszeitraums von 15 Monat­en erlöschen kann, wenn der Arbeit­ge­ber den Arbeit­nehmer durch Erfül­lung sein­er Mitwirkung­sobliegen­heit­en rechtzeit­ig in die Lage ver­set­zt hat, diesen Anspruch auszuüben. Da dies nicht der Fall war, blieben die Urlaub­sansprüche bestehen.

Weisungsrecht bei Versetzung an ausländischen Arbeitsort (BAG, Urteil vom 30.11.2022, 5 AZR 336/21)

Zusam­men­fas­sung des Sachverhaltes:

Der Kläger, ein Pilot, war ursprünglich bei Ryanair in Irland angestellt und am Flughafen Nürn­berg sta­tion­iert. Nach einem Betrieb­süber­gang wech­selte er zur Beklagten, ein­er in Mal­ta ansäs­si­gen Flugge­sellschaft. Ryanair entsch­ied später, den Stan­dort Nürn­berg aufzugeben. Infolgedessen ver­set­zte die Beklagte den Kläger an die Home­base in Bologna, Ital­ien. Der Kläger akzep­tierte die Ver­set­zung unter Vor­be­halt und klagte gegen die Wirk­samkeit dieser Maß­nahme, indem er argu­men­tierte, das Weisungsrecht des Arbeit­ge­bers umfasse keine Ver­set­zung ins Aus­land und sei zudem unbillig.

Zusam­men­fas­sung der Urteilsbegründung:

Das Bun­de­sar­beits­gericht wies die Revi­sion des Klägers ab und bestätigte die Entschei­dun­gen der Vorin­stanzen, dass die Ver­set­zung nach Bologna recht­ens war. Es fand, dass der Arbeitsver­trag des Klägers keine auss­chließliche Fes­tle­gung des Arbeit­sorts Nürn­berg vor­sah und auch keine kon­klu­dente Beschränkung auf Deutsch­land enthielt. Daher könne der Arbeit­ge­ber auf­grund seines Weisungsrechts nach § 106 Satz 1 GewO den Arbeit­sort auch ins Aus­land verlegen.

Das Gericht erläuterte, dass unternehmerische Entschei­dun­gen wie die Auf­gabe eines Stan­dorts beson­deres Gewicht haben und nicht auf ihre Zweck­mäßigkeit hin über­prüft wer­den müssen. Es fand weit­er­hin, dass die Beklagte die in einem Sozialplan vere­in­barten Ver­fahren einge­hal­ten hat und dass die Ver­set­zung inner­halb des bil­li­gen Ermessens lag. Die damit ver­bun­de­nen Belas­tun­gen für den Kläger seien zumut­bar, ins­beson­dere weil die tar­i­flichen Regelun­gen am neuen Arbeit­sort in Ital­ien zur Anwen­dung kämen und der Kläger Umzugsleis­tun­gen nach dem Sozialplan erhal­ten würde.

Zusam­men­fassend bestätigte das Gericht, dass die Ver­set­zung des Klägers rechtlich zuläs­sig war und wies seine Klage ab.

https://www.bundesarbeitsgericht.de/entscheidung/5‑azr-336–21

Amtszeit der Schwerbehindertenvertretung — Schwellenwert (BAG, Beschluss vom 19.10.2022, 7 ABR 27/21)

Zusam­men­fas­sung des Sachverhaltes:

Die Beteiligten strit­ten über das vorzeit­ige Ende des Amtes ein­er Schwer­be­hin­derten­vertre­tung. Die betrof­fene Schwer­be­hin­derten­vertre­tung wurde am 13. Novem­ber 2019 gewählt. Am 1. August 2020 sank die Anzahl der schwer­be­hin­derten Mitar­beit­er im Betrieb K der Arbeit­ge­berin, einem Unternehmen der klin­is­chen Forschung, von fünf auf vier. Die Arbeit­ge­berin ver­trat die Auf­fas­sung, dass dadurch die Schwer­be­hin­derten­vertre­tung ihre Exis­tenz ver­loren habe und die Vertre­tung durch eine andere Schwer­be­hin­derten­vertre­tung im Betrieb L wahrgenom­men wer­den sollte. Die Schwer­be­hin­derten­vertre­tung wider­sprach dem, indem sie argu­men­tierte, ihr Amt sei nicht auf­grund des Absinkens der Zahl der schwer­be­hin­derten Beschäftigten unter den Schwellen­wert des § 177 Abs. 1 Satz 1 SGB IX beendet.

Zusam­men­fas­sung der Urteilsbegründung:

Das Bun­de­sar­beits­gericht gab der Rechts­beschw­erde der Schwer­be­hin­derten­vertre­tung statt und hob die Entschei­dun­gen der Vorin­stanzen auf. Es wurde fest­gestellt, dass die Amt­szeit der Schwer­be­hin­derten­vertre­tung nicht auf­grund der reduzierten Anzahl schwer­be­hin­dert­er Mitar­beit­er endete. Das Gericht stellte klar, dass die Min­destanzahl von fünf schwer­be­hin­derten Beschäftigten, die für die Wahl ein­er Schwer­be­hin­derten­vertre­tung erforder­lich ist, nicht während der gesamten Amt­szeit erre­icht sein muss. Die Voraus­set­zun­gen für ein vorzeit­iges Erlöschen des Amtes sind in § 177 Abs. 7 SGB IX abschließend geregelt, und ein Unter­schre­it­en des Schwellen­wertes gehört nicht dazu. Die geset­zliche Regelung sieht vor, dass das Amt der Schwer­be­hin­derten­vertre­tung bei Absinken der Zahl der schwer­be­hin­derten Beschäftigten unter den Schwellen­wert nicht automa­tisch endet, son­dern weit­er­hin beste­ht, solange die in § 177 Abs. 7 Satz 1 SGB IX fest­gelegte Amt­szeit von vier Jahren nicht abge­laufen ist.

https://www.bundesarbeitsgericht.de/entscheidung/7‑abr-27–21

Informationspflicht des Arbeitgebers bei Fremdpersonaleinsatz (LAG Baden-Württemberg, Beschluss vom 12.10.2022, 4 TaBV 3/21)

Zusam­men­fas­sung des Sachverhaltes:

Der Betrieb­srat eines Kranken­haus­es forderte vom Arbeit­ge­ber wieder­holt Infor­ma­tio­nen über den Ein­satz von Fremd­per­son­al durch konz­ernzuge­hörige Ser­vicege­sellschaften. Konkret ging es um die Aufk­lärung, ob diese Per­so­n­en in den betrieblichen Ablauf eingegliedert und weisungsab­hängig sind, was eine Mitbes­tim­mungspflicht nach § 99 BetrVG begrün­den kön­nte. Der Arbeit­ge­ber sah seinen Auskun­ft­sanspruch als erfüllt an, indem er Rah­men­verträge vor­legte und auf die Möglichkeit zur Ein­sicht­nahme ver­wies. Daraufhin leit­ete der Betrieb­srat ein Beschlussver­fahren ein, um seine Forderun­gen durchzusetzen.

Zusam­men­fas­sung der Urteilsbegründung:

Das Lan­desar­beits­gericht Baden-Würt­tem­berg entsch­ied, dass der Betrieb­srat grund­sät­zlich ein Recht auf Infor­ma­tion hat, um seine Überwachungspflicht­en nach § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG wahrzunehmen. Die Infor­ma­tion­spflicht des Arbeit­ge­bers umfasst den zeitlichen Umfang der Ein­sätze, die Ein­sat­zorte und die Arbeit­sauf­gaben der Fremd­per­sonalmi­tar­beit­er, jedoch nicht notwendi­ger­weise deren Namen. Das Gericht stellte fest, dass die Vor­lage von Rah­men­verträ­gen allein nicht aus­re­icht, da der Betrieb­srat daraus nicht beurteilen kann, ob die tat­säch­liche Durch­führung der Ein­sätze ein­er uner­laubten Arbeit­nehmerüber­las­sung gle­ichkommt. Der Antrag des Betrieb­srats wurde in Teilen stattgegeben, ins­beson­dere im Hin­blick auf die zukün­ftige Unter­rich­tung vor Ein­satzbe­ginn neuer Fremd­per­sonalmi­tar­beit­er. Allerd­ings wurde der Antrag abgewiesen, soweit er die namentliche Nen­nung des Fremd­per­son­als ver­langte, da dies für die Wahrnehmung der Betrieb­srat­sauf­gaben nicht erforder­lich ist. Das Gericht ließ die Rechts­beschw­erde zu, auf­grund der grund­sät­zlichen Bedeu­tung der Frage nach dem Umfang des Auskun­ft­sanspruchs des Betriebsrats.

https://www.iww.de/quellenmaterial/id/232297

Tariflich verlängerte Überlassungsdauer von Leiharbeitnehmern (BAG, Urteil vom 14.09.2022, 4 AZR 83/21)

Zusam­men­fas­sung des Sachverhaltes:

Der Kläger, ein Kfz-Meis­ter, ist seit März 2017 bei der S GmbH angestellt und wurde von Mai 2017 bis April 2019 an die Beklagte, ein Mit­glied des Ver­bands der Met­all- und Elek­troin­dus­trie Baden-Würt­tem­berg, über­lassen. Er argu­men­tierte, dass zwis­chen ihm und der Beklagten auf­grund der Über­schre­itung der geset­zlichen Über­las­sung­shöch­st­dauer von 18 Monat­en ein Arbeitsver­hält­nis ent­standen sei. Er bestritt die Anwen­dung des Tar­ifver­trages (TV LeiZ), der die Über­las­sungs­dauer auf 48 Monate ver­längert, da er nicht Mit­glied der IG Met­all sei. Er hielt außer­dem § 1 Abs. 1b Satz 3 AÜG für ver­fas­sungs- und unionsrechtswidrig.

Zusam­men­fas­sung der Urteilsbegründung:

Das Bun­de­sar­beits­gericht wies die Revi­sion des Klägers zurück und bestätigte die Entschei­dun­gen der Vorin­stanzen, die fest­gestellt hat­ten, dass kein Arbeitsver­hält­nis zwis­chen den Parteien ent­standen sei. Das Gericht erläuterte, dass die Über­las­sungs­dauer arbeit­nehmer­be­zo­gen zu bes­tim­men sei und der Kläger knapp 24 Monate über­lassen wurde, was die geset­zliche Über­las­sung­shöch­st­dauer von 18 Monat­en über­schre­it­et. Allerd­ings sei diese durch den Tar­ifver­trag TV LeiZ gemäß § 1 Abs. 1b Satz 3 AÜG wirk­sam auf 48 Monate ver­längert wor­den. Diese Regelung gelte unab­hängig von der Tar­if­bindung des Klägers, da sie lediglich die Tar­if­bindung der Entlei­herin voraus­set­ze. Weit­er­hin sei die Regelung sowohl mit dem Union­srecht als auch mit dem Grundge­setz vere­in­bar, da sie eine angemessene und flex­i­ble Anpas­sung an die betrieblichen Bedürfnisse ermögliche, ohne den Schutz der Lei­har­beit­nehmer zu gefährden.

https://www.bundesarbeitsgericht.de/entscheidung/4‑azr-83–21

Initiativrecht des Betriebsrats bezüglich elektronischer Arbeitszeiterfassung (BAG, Beschluss vom 13.09.2022, 1 ABR 22/21)

Zusam­men­fas­sung des Sachverhaltes:

Die Parteien stre­it­en darüber, ob dem Betrieb­srat ein Ini­tia­tivrecht zur Ein­führung eines elek­tro­n­is­chen Sys­tems zur Erfas­sung der Arbeit­szeit­en zuste­ht. Die Arbeit­ge­berin­nen, Betreiber ein­er voll­sta­tionären Wohnein­rich­tung, lehn­ten die Ein­führung eines solchen Sys­tems ab, woraufhin der Betrieb­srat die Ein­rich­tung ein­er Eini­gungsstelle beantragte und anschließend klage. Sowohl das Arbeits­gericht Min­den als auch das Lan­desar­beits­gericht Hamm wur­den in dieser Angele­gen­heit bere­its angerufen.

Zusam­men­fas­sung der Urteilsbegründung:

Das Bun­de­sar­beits­gericht entsch­ied, dass dem Betrieb­srat kein Ini­tia­tivrecht zuste­ht, ein elek­tro­n­is­ches Zeit­er­fas­sungssys­tem einzuführen. Das Gericht stellte klar, dass die Arbeit­ge­berin­nen bere­its geset­zlich dazu verpflichtet sind, die Arbeit­szeit­en zu erfassen. Die Anforderun­gen des Gesund­heitss­chutzes und der Sicher­heit der Arbeit­nehmer sind durch das Arbeitss­chutzge­setz (§ 3 Abs. 2 Nr. 1 Arb­SchG) aus­re­ichend geregelt, welch­es den Arbeit­ge­bern vorschreibt, ein geeignetes Sys­tem zur Arbeit­szeit­er­fas­sung zu imple­men­tieren, um die Ein­hal­tung von Höch­star­beit­szeit­en und Ruhep­ausen sicherzustellen. Das Gericht hob her­vor, dass der Betrieb­srat nur dann ein Mitbes­tim­mungsrecht hat, wenn dem Arbeit­ge­ber ein Gestal­tungsspiel­raum verbleibt, was hier jedoch durch die geset­zliche Verpflich­tung nicht der Fall ist. Somit war die Klage des Betrieb­srats unbe­grün­det und die Entschei­dung des Lan­desar­beits­gerichts wurde aufgehoben.

https://www.bundesarbeitsgericht.de/entscheidung/1‑abr-22–21

Sonderkündigungsschutz für betriebliche Datenschutzbeauftragte (BAG, Urteil vom 25.08.2022, 2 AZR 225/20)

Zusam­men­fas­sung des Sachverhaltes:

Die Klägerin war seit Jan­u­ar 2018 bei der Beklagten als „Team­leit­er Recht“ beschäftigt und wurde zusät­zlich zur betrieblichen Daten­schutzbeauf­tragten bestellt. Die Beklagte kündigte das Arbeitsver­hält­nis zum 15. August 2018 auf­grund ein­er Umstruk­turierung und dem dadurch ent­fal­l­enen Beschäf­ti­gungs­be­darf. Die Klägerin erhob Klage gegen die Kündi­gung, da sie sich auf den Son­derkündi­gungss­chutz für Daten­schutzbeauf­tragte berief, der eine Kündi­gung nur aus wichtigem Grund zulässt.

Zusam­men­fas­sung der Urteilsbegründung:

Das Bun­de­sar­beits­gericht bestätigte die Entschei­dun­gen der Vorin­stanzen und wies die Revi­sion der Beklagten zurück. Die ordentliche Kündi­gung war gemäß § 38 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 iVm. § 6 Abs. 4 Satz 2 BDSG sowie § 134 BGB nichtig, da die Klägerin als bestellte Daten­schutzbeauf­tragte nur aus wichtigem Grund gekündigt wer­den darf. Das Gericht stellte klar, dass der Son­derkündi­gungss­chutz des BDSG mit dem Union­srecht und dem nationalen Ver­fas­sungsrecht vere­in­bar ist. Es wurde betont, dass Art. 38 Abs. 3 Satz 2 DSGVO ein­er stren­geren nationalen Regelung, die eine Kündi­gung nur aus wichtigem Grund erlaubt, nicht ent­ge­gen­ste­ht. Die Regelung beein­trächtigt nicht die Ziele der DSGVO und gewährleis­tet die funk­tionelle Unab­hängigkeit des Daten­schutzbeauf­tragten, was zur Wirk­samkeit der DSGVO beiträgt. Das Gericht wies auch darauf hin, dass die nor­ma­tive Aus­gestal­tung des Son­derkündi­gungss­chutzes keine Beein­träch­ti­gung der Grun­drechte der Beklagten darstellt.

https://www.bundesarbeitsgericht.de/entscheidung/2‑azr-225–20

Vergütung von Überstunden und Anforderungen an deren Darlegung (BAG, Urteil vom 04.05.2022, 5 AZR 359/21)

Zusam­men­fas­sung des Sachverhaltes:

Der Kläger, ehe­mals als Aus­liefer­ungs­fahrer bei der Beklagten, einem Einzel­han­del­sun­ternehmen, beschäftigt, begehrt die Vergü­tung für 348 Über­stun­den. Diese Forderung basiert auf den mit­tels tech­nis­ch­er Zeitaufze­ich­nung erfassten Arbeit­szeit­en, die einen pos­i­tiv­en Sal­do von 348 Stun­den aufweisen. Der Kläger argu­men­tiert, dass er keine Pausen genom­men hat und daher die gesamte aufgeze­ich­nete Zeit als Arbeit­szeit zu vergüten sei.

Zusam­men­fas­sung der Urteilsbegründung:

Das Bun­de­sar­beits­gericht wies die Revi­sion des Klägers zurück und bestätigte damit die Entschei­dung des Lan­desar­beits­gerichts Nieder­sach­sen, welche die Klage größ­ten­teils abwies. Es betonte, dass der Kläger zwar den Umfang der geleis­teten Über­stun­den schlüs­sig dargelegt hat, jedoch nicht aus­re­ichend dar­legte, dass die Über­stun­den durch die Beklagte ver­an­lasst wurden.

  1. Arbeit­szeit und Dar­legungslast: Der Kläger erfüllte seine Dar­legungslast hin­sichtlich der Arbeit­szeit­en, indem er konkret angab, wann er gear­beit­et habe. Der Vor­trag, keine Pausen gemacht zu haben, wurde vom Gericht als aus­re­ichend für die Behaup­tung ange­se­hen, dass alle aufgeze­ich­neten Zeit­en Arbeit­szeit­en seien.
  2. Ver­an­las­sung durch den Arbeit­ge­ber: Das Gericht stellte klar, dass Über­stun­den­vergü­tun­gen eine Ver­an­las­sung durch den Arbeit­ge­ber voraus­set­zen. Hierzu gehört, dass Über­stun­den entwed­er vom Arbeit­ge­ber ange­ord­net, gebil­ligt oder zur Erledi­gung der geschulde­ten Arbeit notwendig waren. Der Kläger kon­nte nicht hin­re­ichend dar­legen, dass die geleis­teten Über­stun­den durch die Beklagte ver­an­lasst wurden.
  3. Rechtliche Einord­nung der Über­stun­den: Über­stun­den müssen vom Arbeit­ge­ber ver­an­lasst sein, damit sie vergütet wer­den. Der Kläger trug nicht sub­stan­ti­iert vor, dass eine bes­timmte Arbeits­menge inner­halb der Nor­malar­beit­szeit nicht zu schaf­fen war oder dass der Arbeit­ge­ber durch das Abze­ich­nen von Arbeit­szeit­nach­weisen die Über­stun­den­leis­tung gebil­ligt hätte.

Das Urteil unter­stre­icht die Notwendigkeit ein­er genauen Dar­legung der Ver­an­las­sung von Über­stun­den durch den Arbeit­ge­ber, um einen Anspruch auf Über­stun­den­vergü­tung erfol­gre­ich gel­tend machen zu können.

https://www.bundesarbeitsgericht.de/entscheidung/5‑azr-359–21

Fairness von Aufhebungsvertragsverhandlungen (BAG, Urteil vom 24.02.2022, 6 AZR 333/21)

Zusam­men­fas­sung des Sachverhaltes:

Die Klägerin, seit dem 1. Juni 2015 als Teamko­or­di­na­torin des Verkaufs im Bere­ich Haustech­nik beschäftigt, wurde am 22. Novem­ber 2019 von ihrem Arbeit­ge­ber und dessen Recht­san­walt beschuldigt, unberechtigt Einkauf­spreise reduziert zu haben, um einen höheren Verkauf­s­gewinn vorzutäuschen. Ihr wurde ohne Vorankündi­gung des Gespräch­s­the­mas ein Aufhe­bungsver­trag vorgelegt, der ihr Auss­chei­den aus dem Unternehmen vor­sah. Nach ein­er kurzen Bedenkzeit unter­schrieb sie den Ver­trag, focht diesen jedoch später wegen wider­rechtlich­er Dro­hung an. Sie behauptete, man habe ihr für den Fall der Nich­tun­terze­ich­nung mit ein­er außeror­dentlichen Kündi­gung und ein­er Strafanzeige gedro­ht und ihr keine aus­re­ichende Bedenkzeit gewährt.

Zusam­men­fas­sung der Urteilsbegründung:

Das Bun­de­sar­beits­gericht wies die Revi­sion der Klägerin zurück und bestätigte damit das Urteil des Lan­desar­beits­gerichts, das den Aufhe­bungsver­trag als wirk­sam ansah. Das Gericht fand, dass die Dro­hung mit Kündi­gung und Strafanzeige nicht wider­rechtlich war, da aus Sicht eines ver­ständi­gen Arbeit­ge­bers angenom­men wer­den kon­nte, dass ein hin­re­ichen­der Anlass für diese Maß­nah­men bestand. Zudem urteilte das Gericht, dass die Vorge­hensweise des Arbeit­ge­bers bei den Ver­tragsver­hand­lun­gen fair war. Ein Aufhe­bungsver­trag, der zur sofor­ti­gen Annahme unter­bre­it­et wird, ver­stößt nicht gegen das Gebot fairen Ver­han­delns, solange dem Arbeit­nehmer die Möglichkeit bleibt, das Ange­bot abzulehnen. Die Klägerin hat­te die Option, den Raum zu ver­lassen und das Ange­bot nicht anzunehmen, wodurch keine unfaire Druck­si­t­u­a­tion ent­stand, die ihre Entschei­dungs­frei­heit erhe­blich eingeschränkt hätte.

https://www.bundesarbeitsgericht.de/entscheidung/6‑azr-333–21

Anspruch auf Nachgewährung von Freistellungstagen bei Krankheit (BAG, Urteil vom 23.02.2022, 10 AZR 99/21)

Zusam­men­fas­sung des Sachverhaltes:

Der Kläger, ein vol­lzeitbeschäftigter Arbeit­nehmer und Mit­glied der IG Met­all, beanspruchte auf Grund­lage des Tar­ifver­trags Tar­i­flich­es Zusatzgeld (TV T‑ZUG) für das Jahr 2019 zusät­zliche Freis­tel­lungstage. Diese Freis­tel­lungstage waren als Alter­na­tive zum tar­i­flichen Zusatzgeld gewährt wor­den und soll­ten am 11. und 12. Juni 2019 stat­tfind­en. Der Kläger war jedoch vom 5. bis ein­schließlich 12. Juni 2019 krankheits­be­d­ingt arbeit­sun­fähig. Er forderte daraufhin die Nachgewährung der zwei Freis­tel­lungstage, was die Beklagte ablehnte. Der Kläger argu­men­tierte, dass der Anspruch auf die Freis­tel­lungstage nicht erfüllt sei, da er sie auf­grund sein­er Krankheit nicht nutzen konnte.

Zusam­men­fas­sung der Urteilsbegründung:

Das Bun­de­sar­beits­gericht wies die Revi­sion der Beklagten zurück und bestätigte damit die Entschei­dun­gen der Vorin­stanzen, die dem Kläger Recht gaben. Es stellte fest, dass der Anspruch auf die Freis­tel­lungstage nicht erloschen ist, da diese auf­grund der krankheits­be­d­ingten Arbeit­sun­fähigkeit des Klägers nicht real­isiert wer­den kon­nten. Das Gericht erläuterte, dass die Freis­tel­lungstage erst dann als “genom­men” gel­ten, wenn sie tat­säch­lich genutzt wer­den kön­nen, was hier durch die Krankheit des Klägers ver­hin­dert wurde. Die Tar­ifver­tragsparteien hät­ten mit der Regelung bezweckt, den Arbeit­nehmern tat­säch­lich nutzbare freie Tage zu gewähren. Daher sei der Anspruch auf die Freis­tel­lungstage erhal­ten geblieben und der Kläger könne ihre Nachgewährung ver­lan­gen. Das Gericht führte weit­er aus, dass die tar­i­fliche Regelung nicht dazu führt, dass der Anspruch auf die Freis­tel­lungstage mit dem Jahre­sende erlis­cht, solange die Freis­tel­lung aus per­so­n­enbe­d­ingten Grün­den nicht möglich war. Das Gericht lehnte somit die Argu­men­ta­tion der Beklagten ab, die Freis­tel­lung sei bere­its durch die bloße zeitliche Fes­tle­gung der Freis­tel­lungstage erfüllt worden.

https://www.bundesarbeitsgericht.de/entscheidung/10-azr-99–21

Kein Anspruch auf Dankes- und Wunschformel im Arbeitszeugnis (BAG, Urteil vom 25.01.2022, 9 AZR 146/21)

Zusam­men­fas­sung des Sachverhaltes:

Der Kläger, ehe­mals tätig als Per­sonald­ispo­nent bei der Beklagten, einem Per­sonal­dien­stleis­ter, begehrte die Ergänzung seines Arbeit­szeug­niss­es um eine Dankes- und Wun­schformel. Die Beklagte hat­te ihm ein Arbeit­szeug­nis ohne diese Formel aus­gestellt. Der Kläger argu­men­tierte, dass das Fehlen ein­er solchen Formel sein Zeug­nis min­der­w­er­tig erscheinen ließe.

Zusammenfassung der Urteilsbegründung:

Das Bun­de­sar­beits­gericht entsch­ied, dass der Kläger keinen Anspruch auf die Auf­nahme ein­er Dankes- und Wun­schformel in sein Arbeit­szeug­nis hat. Das Gericht stellte klar, dass ein qual­i­fiziertes Arbeit­szeug­nis laut § 109 Abs. 1 Satz 3 GewO lediglich Angaben über Leis­tung und Ver­hal­ten des Arbeit­nehmers enthal­ten muss. Die Hinzufü­gung von Dankes- und Wun­schformeln ist nicht verpflich­t­end und kann nicht aus der geset­zlichen Regelung hergeleit­et werden.

Das Gericht betonte weit­er­hin, dass der Anspruch auf ein qual­i­fiziertes Zeug­nis den Arbeit­ge­ber nicht dazu verpflicht­en kann, seine innere Ein­stel­lung zu äußern oder pos­i­tive Wün­sche für die Zukun­ft auszus­prechen, die er möglicher­weise nicht hegt. Die neg­a­tive Mei­n­ungs­frei­heit des Arbeit­ge­bers schützt ihn davor, zu Aus­sagen gezwun­gen zu wer­den, die er nicht täti­gen möchte. Dies gilt auch für formel­hafte Dankes- und Wun­schformeln, die nicht die tat­säch­liche Mei­n­ung des Arbeit­ge­bers wider­spiegeln müssen.

Zusam­men­fassend wies das Gericht darauf hin, dass die Beru­fungsentschei­dung, die dem Kläger zunächst Recht gab, auf ein­er fehler­haften Recht­sauf­fas­sung beruhte. Daher wurde diese Entschei­dung aufge­hoben und die ursprüngliche Entschei­dung des Arbeits­gerichts wieder­hergestellt, welche die Klage des Klägers abgewiesen hatte.

https://www.bundesarbeitsgericht.de/entscheidung/9‑azr-146–21

Kein individueller Anspruch auf Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements (BAG, Urteil vom 07.09.2021, 9 AZR 571/20)

Zusam­men­fas­sung des Sachverhaltes:

Der Kläger, ein bei der beklagten Gemeinde beschäftigter Arbeit­nehmer mit einem Grad der Behin­derung von 30, ver­langte die Durch­führung eines betrieblichen Eingliederungs­man­age­ments (bEM), nach­dem er in den Jahren 2018 und 2019 jew­eils mehr als sechs Wochen krankheits­be­d­ingt arbeit­sun­fähig war. Die Beklagte lehnte die Durch­führung eines bEM ab, woraufhin der Kläger klagte.

Zusam­men­fas­sung der Urteilsbegründung:

Das Bun­de­sar­beits­gericht entsch­ied, dass § 167 Abs. 2 Satz 1 SGB IX keinen indi­vidu­ellen Anspruch eines Arbeit­nehmers auf die Ein­leitung und Durch­führung eines bEM begrün­det. Das Gericht führte aus, dass ein bEM ein ver­laufs- und ergeb­nisof­fen­er Prozess sei, der darauf abzielt, Lösun­gen zu find­en, um die Arbeit­sun­fähigkeit zu über­winden und zukün­ftige Arbeit­sun­fähigkeit zu ver­mei­den. Die Norm verpflichtet den Arbeit­ge­ber zur Ini­tia­tive, gibt aber dem Arbeit­nehmer keinen ein­klag­baren Anspruch auf die Durch­führung des Verfahrens.

Das Gericht betonte, dass die geset­zliche Regelung des bEM umfassend und abschließend sei und dass all­ge­meine arbeitsver­tragliche Pflicht­en wie das Rück­sicht­nah­mege­bot nicht dazu genutzt wer­den kön­nen, um darüber hin­aus­ge­hende Ansprüche zu begründen.

Weit­er­hin stellte das Gericht klar, dass auch die UN-Behin­derten­recht­skon­ven­tion und die EU-Richtlin­ie 2000/78/EG, welche die Gle­ich­be­hand­lung im Beruf und die Beschäf­ti­gung von Men­schen mit Behin­derun­gen the­ma­tisieren, keinen darüber­hin­aus­ge­hen­den indi­vidu­ellen Anspruch auf ein bEM begründen.

Ins­ge­samt wurde die Revi­sion des Klägers gegen das Urteil des Lan­desar­beits­gerichts zurück­gewiesen und die Klage abgewiesen.

https://www.bundesarbeitsgericht.de/entscheidung/9‑azr-571–20

Kein Mitbestimmungsrecht bei Fürsorgegesprächen (LAG Nürnberg, Beschluss vom 02.03.2021, 7 TaBV 5/20)

Zusam­men­fas­sung des Sachverhaltes:

Die Parteien stre­it­en über die Mitbes­tim­mungsrechte des Betrieb­srats (Beteiligter zu 1) bei der Durch­führung von Für­sorgege­sprächen in einem Unternehmen, das bun­desweit Nieren­zen­tren betreibt. Die Geschäfts­führung (Beteiligter zu 2) kündigte an, Für­sorgege­spräche mit Mitar­beit­ern führen zu wollen, die ver­mehrt Krankheit­stage aufweisen. Der Betrieb­srat machte ein Mitbes­tim­mungsrecht gel­tend und beantragte gerichtlich, dem Arbeit­ge­ber die Durch­führung solch­er Gespräche ohne Zus­tim­mung des Betrieb­srats zu untersagen.

Zusam­men­fas­sung der Urteilsbegründung:

Das Lan­desar­beits­gericht Nürn­berg bestätigte den Beschluss des Arbeits­gerichts Würzburg, der die Anträge des Betrieb­srats zurück­wies. Das Gericht urteilte, dass die durchge­führten Für­sorgege­spräche nicht der Mitbes­tim­mung des Betrieb­srats unter­liegen, da sie nicht nach einem abstrak­ten Schema aus­gewählt oder for­mal­isiert durchge­führt wur­den und sich primär auf das indi­vidu­elle Arbeitsver­hal­ten und nicht auf das Ord­nungsver­hal­ten im Betrieb bezogen.

Es wurde fest­gestellt, dass keine abstrak­te Regelung für die Auswahl der Gespräch­steil­nehmer bestand und die Gespräche unter­schiedlich ver­liefen, abhängig von den indi­vidu­ellen Umstän­den der Mitar­beit­er. Zudem waren die Gespräche darauf aus­gerichtet, indi­vidu­elle Lösun­gen zur Über­win­dung von Arbeit­sun­fähigkeit zu ermit­teln und nicht, das kollek­tive Ord­nungsver­hal­ten zu regeln oder zu standardisieren.

Das Gericht wies darauf hin, dass das Mitbes­tim­mungsrecht des Betrieb­srats sich nicht auf Maß­nah­men erstreckt, die das indi­vidu­elle Arbeitsver­hal­ten betr­e­f­fen und nicht auf eine kollek­tive Regelung abzie­len. Die Beschw­erde des Betrieb­srats wurde zurück­gewiesen, und es wurde keine Rechts­beschw­erde zugelassen.

https://www.iww.de/quellenmaterial/id/222958

4.17 BVerfG-Entscheidung zu rassistischen Beleidigungen im Betriebsrat”

Das Bun­desver­fas­sungs­gericht (BVer­fG) hat in ein­er Entschei­dung vom 2. Novem­ber 2020 (1 BvR 2727/19) über eine erfol­glose Ver­fas­sungs­beschw­erde zur Kündi­gung eines Betrieb­sratsmit­glieds wegen ras­sis­tis­ch­er Belei­di­gung entsch­ieden. Die Entschei­dung hat erhe­bliche Aufmerk­samkeit in Medi­en und Fach­presse erregt.

Im vor­liegen­den Fall wurde einem Betrieb­sratsmit­glied vorge­wor­fen, während ein­er Betrieb­sratssitzung seinem schwarzen Kol­le­gen im Rah­men eines Dialogs über die Herange­hensweise an ein bes­timmtes The­ma Affen­laute in Form von “Ugah, Ugah” ent­geg­net zu haben. Der Betrieb­srat stimmte der frist­losen Kündi­gung des Klägers zu.

Das Lan­desar­beits­gericht (LAG) Köln, das in der Vorin­stanz entsch­ieden hat­te, set­zte sich in sein­er Entschei­dung dezi­diert mit dem Unter­schied zwis­chen ein­er schlicht­en for­malen Belei­di­gung, auch in ihren krud­esten For­men, und ein­er ras­sis­tis­chen Belei­di­gung auseinan­der. Dabei bedi­ente es sich der Grund­la­gen der Kommunikationspsychologie.

Das Gericht kam zu dem Schluss, dass die Äußerung des Klägers nicht nur eine schlichte Belei­di­gung darstellte, son­dern eine Selb­stof­fen­barung eines diskri­m­inieren­den und in diesem speziellen Fall eines ras­sis­tis­chen Weltbildes.

Die Entschei­dung des BVer­fG bestätigte die Ansicht des LAG Köln und wies die Ver­fas­sungs­beschw­erde des Klägers zurück. Die Entschei­dung des BVer­fG ist ein wichtiger Meilen­stein im Arbeit­srecht und unter­stre­icht die Notwendigkeit, Ras­sis­mus und Diskri­m­inierung am Arbeit­splatz entsch­ieden entgegenzutreten.

Kündigung eines Betriebsratsmitglieds bei Betriebsstilllegung (BAG, Urteil vom 27.06.2019, 2 AZR 38/19)

Zusam­men­fas­sung des Sachverhaltes:

Die Parteien stre­it­en über die Wirk­samkeit ein­er ordentlichen Kündi­gung eines Betrieb­sratsmit­glieds. Die Beklagte, ein Unternehmen des N‑Konzerns, hat­te im März 2016 mit der IG Met­all einen Struk­tur­tar­ifver­trag geschlossen, um die Betrieb­sstät­ten in H, B und L zu ein­er betrieb­sver­fas­sungsrechtlichen Organ­i­sa­tion­sein­heit zusam­men­z­u­fassen. Der Kläger war dem Betrieb in B zuge­ord­net und nahm 2017 als Nachrück­er an ein­er Betrieb­sratssitzung teil. Nach­dem der Betrieb in B am 7. Juni 2017 geschlossen wurde, kündigte die Beklagte das Arbeitsver­hält­nis ordentlich zum 30. Juni 2018. Der Kläger erhob daraufhin Kündigungsschutzklage.

Zusam­men­fas­sung der Urteilsbegründung:

Das Bun­de­sar­beits­gericht hob das Urteil des Lan­desar­beits­gerichts Berlin-Bran­den­burg auf, das die Kündi­gung für unwirk­sam erk­lärt hat­te, und ver­wies die Sache zur neuen Ver­hand­lung zurück. Das Lan­desar­beits­gericht hat­te fälschlicher­weise angenom­men, dass der nach dem Struk­tur­tar­ifver­trag gebildete “Gemein­schafts­be­trieb” nicht ins­ge­samt still­gelegt wor­den sei, was jedoch nicht der Fall war. Das BAG stellte klar, dass die betrieb­sver­fas­sungsrechtliche Organ­i­sa­tion­sein­heit keinen “Betrieb” im Sinne des KSchG darstellt und die Kündi­gung eines Betrieb­sratsmit­glieds gemäß § 15 Abs. 4 KSchG zuläs­sig ist, wenn der Betrieb, in dem das Mit­glied beschäftigt war, still­gelegt wird. Das Gericht betonte, dass der Schutz des Kündi­gungss­chutzge­set­zes auf den Betrieb beschränkt ist, in dem der Arbeit­nehmer beschäftigt ist, und nicht auf andere Betrieb­steile oder Betriebe des Unternehmens aus­gedehnt wird.

https://www.bundesarbeitsgericht.de/entscheidung/2‑azr-38–19

Freizeitausgleich für Betriebsratstätigkeit außerhalb der Arbeitszeit (BAG, Urteil vom 15.05.2019, 7 AZR 396/17)

Zusam­men­fas­sung des Sachverhaltes:

Der Kläger, ein Mit­glied des Betrieb­srats und in vol­lkon­tinuier­lich­er Wech­selschicht tätig, wurde von der Beklagten, seinem Arbeit­ge­ber, für die Dauer von Betrieb­sratssitzun­gen von der Arbeit freigestellt. Diese Sitzun­gen fan­den jew­eils am ersten Tag sein­er Frei­woche statt, einem Zeitraum, der außer­halb sein­er reg­ulären Arbeit­szeit­en lag. Für seine Betrieb­srat­stätigkeit­en an diesen Tagen forderte der Kläger einen Freizeitaus­gle­ich, da sie außer­halb sein­er Arbeit­szeit stat­tfan­den. Der Arbeit­ge­ber lehnte dies ab, mit der Begrün­dung, dass keine zusät­zliche zeitliche Belas­tung für den Kläger ent­standen sei, da er in der vorherge­hen­den Schicht freigestellt wor­den war.

Zusam­men­fas­sung der Urteilsbegründung:

Das Bun­de­sar­beits­gericht gab der Revi­sion des Klägers statt und verurteilte den Arbeit­ge­ber zur Gutschrift von zusät­zlichen 15 Stun­den und 29 Minuten auf das Arbeit­szeitkon­to des Klägers. Das Gericht führte aus, dass gemäß § 37 Abs. 3 BetrVG ein Anspruch auf Freizeitaus­gle­ich beste­ht, wenn Betrieb­srat­stätigkeit­en aus betrieb­s­be­d­ingten Grün­den außer­halb der reg­ulären Arbeit­szeit stat­tfind­en. Die Freis­tel­lung des Klägers in der vor­ange­gan­genen Nacht sei kein aus­re­ichen­der Aus­gle­ich für die geleis­tete Betrieb­srat­stätigkeit, da diese unab­hängig von der Freis­tel­lung eine Aufopfer­ung per­sön­lich­er Freizeit darstelle. Der Freizeitaus­gle­ich solle nicht eine über­mäßige Arbeits­be­las­tung kom­pen­sieren, son­dern den Ver­lust an per­sön­lich­er Freizeit aus­gle­ichen. Die Tätigkeit des Klägers in sein­er freien Zeit begründe daher einen Anspruch auf entsprechen­den Freizeitaus­gle­ich, auch wenn er für die Schicht vor der Betrieb­srat­stätigkeit freigestellt wurde.

https://www.bundesarbeitsgericht.de/entscheidung/7‑azr-396–17

Pflicht zur Einführung eines Systems zur Arbeitszeiterfassung (EuGH, Urteil vom 14.05.2019, C‑55/18)

Zusam­men­fas­sung des Sachverhaltes:

Die Fed­eración de Ser­vi­cios de Comi­siones Obr­eras (CCOO) klagte gegen die Deutsche Bank SAE vor der Audi­en­cia Nacional (Spanien), um die Ein­führung eines Sys­tems zur Erfas­sung der täglichen Arbeit­szeit der Mitar­beit­er durchzuset­zen. Dies sollte die Ein­hal­tung der vorge­se­henen Arbeit­szeit­en sowie die Über­prü­fung der Über­stun­den ermöglichen. Die Deutsche Bank hat­te trotz mehrerer Auf­forderun­gen durch die spanis­che Arbeitsin­spek­tion kein solch­es Sys­tem einge­führt. Stattdessen nutzte die Bank eine Soft­ware, die nur Abwe­sen­heit­en wie Urlaub­stage erfasste, jedoch nicht die tat­säch­liche Arbeit­szeit und Über­stun­den der Mitar­beit­er. Die spanis­chen Gerichte hat­ten zuvor entsch­ieden, dass das spanis­che Recht nicht die Ein­rich­tung eines solchen Sys­tems fordere.

Zusam­men­fas­sung der Urteilsbegründung:

Der EuGH entsch­ied, dass die Mit­glied­staat­en nach der Arbeit­szeitrichtlin­ie (2003/88/EG) und der Richtlin­ie über Sicher­heit und Gesund­heitss­chutz der Arbeit­nehmer (89/391/EWG) verpflichtet sind, die Ein­führung eines Sys­tems zu gewährleis­ten, mit dem die tägliche Arbeit­szeit jedes Arbeit­nehmers gemessen wer­den kann. Dies sei notwendig, um die Ein­hal­tung der täglichen und wöchentlichen Höch­star­beit­szeit­en sowie der Ruhezeit­en sicherzustellen. Ein solch­es Sys­tem bietet eine objek­tive und ver­lässliche Grund­lage zur Über­prü­fung der Arbeit­szeit­en und ist essen­tiell, um die Rechte der Arbeit­nehmer effek­tiv zu schützen und zu gewährleis­ten, dass diese nicht durch über­lange Arbeit­szeit­en oder unzure­ichende Ruhezeit­en gefährdet wer­den. Die Mit­glied­staat­en sind daher verpflichtet, Arbeit­ge­ber zur Ein­rich­tung eines solchen Sys­tems zu verpflicht­en, und kön­nen sich nicht auf nationale Regelun­gen berufen, die dies nicht vorsehen.

https://www.iww.de/quellenmaterial/id/215595

Einblicksrecht des Betriebsrats in Bruttoentgeltlisten (BAG, Beschluss vom 07.05.2019, 1 ABR 53/17)

Zusam­men­fas­sung des Sachverhaltes:

Die Arbeit­ge­berin, die eine Klinik betreibt, führte Brut­toent­geltlis­ten der Arbeit­nehmer in elek­tro­n­is­ch­er Form, die diverse Vergü­tungskom­po­nen­ten enthiel­ten. Anfang Feb­ru­ar 2017 gewährte sie Betrieb­sratsmit­gliedern Ein­sicht in eine anonymisierte Fas­sung dieser Lis­ten. Der Betrieb­srat forderte jedoch Ein­sicht in die nicht anonymisierten Lis­ten, um zu über­prüfen, ob nach der Kündi­gung eines Tar­ifver­trags Son­derzahlun­gen oder Lohn­er­höhun­gen gerecht und nachvol­lziehbar verteilt wur­den und um mögliche Ver­stöße gegen das Gle­ich­be­hand­lungs­ge­setz festzustellen. Die Arbeit­ge­berin lehnte dies unter Beru­fung auf Daten­schutz und Per­sön­lichkeit­srechte ab.

Zusam­men­fas­sung der Urteilsbegründung:

Das Bun­de­sar­beits­gericht entsch­ied, dass der Betrieb­srat ein Recht auf Ein­sicht in die nicht anonymisierten Brut­toent­geltlis­ten hat. Dieses Recht ergibt sich aus § 80 Abs. 2 Satz 2 BetrVG, wonach dem Betrieb­srat die zur Durch­führung sein­er Auf­gaben erforder­lichen Unter­la­gen zur Ver­fü­gung zu stellen sind. Der Betrieb­srat benötigt die detail­lierten Infor­ma­tio­nen, um seine Überwachungsauf­gaben hin­sichtlich der Ein­hal­tung von Geset­zen und Tar­ifverträ­gen sowie des all­ge­meinen Gle­ich­be­hand­lungs­grund­satzes wahrzunehmen. Daten­schutzrechtliche Bedenken ste­hen dem Ein­blick­srecht nicht ent­ge­gen, da die Ver­ar­beitung per­so­n­en­be­zo­gen­er Dat­en in diesem Kon­text nach § 26 BDSG zuläs­sig ist. Die Ein­sicht­nahme sei auf die Erfül­lung der rechtlichen Auf­gaben des Betrieb­srats beschränkt und recht­fer­tigt daher keinen generellen Zugriff auf alle Dat­en ohne sach­lichen Grund. Das all­ge­meine Per­sön­lichkeit­srecht der Arbeit­nehmer sei durch die daten­schutzrechtliche Prü­fung und die geset­zliche Regelung aus­re­ichend geschützt.

https://www.bundesarbeitsgericht.de/entscheidung/1‑abr-53–17

Auskunftsanspruch des Betriebsrats bei Widerspruch der Arbeitnehmerin gegen die Mitteilung ihrer Schwangerschaft (BAG, Beschluss vom 09.04.2019, 1 ABR 51/17)

Zusam­men­fas­sung des Sachverhaltes:

Die Arbeit­ge­berin, ein Unternehmen im Bere­ich der Luft- und Raum­fahrt, informierte bish­er den Betrieb­srat über gemeldete Schwanger­schaften der Arbeit­nehmerin­nen, es sei denn, diese wider­sprachen der Infor­ma­tion­sweit­er­gabe. Der Betrieb­srat ver­trat die Ansicht, dass er auch bei einem Wider­spruch der betrof­fe­nen Arbeit­nehmerin informiert wer­den müsse, um die Ein­hal­tung des Mut­ter­schutzge­set­zes sicherzustellen. Die Arbeit­ge­berin wider­sprach und argu­men­tierte, dass eine anonymisierte Infor­ma­tion aus­re­ichend sei und das Recht auf infor­ma­tionelle Selb­st­bes­tim­mung der Schwan­geren dem Auskun­ft­sanspruch entgegenstehe.

Zusam­men­fas­sung der Urteilsbegründung:

Das BAG hob den Beschluss des Lan­desar­beits­gerichts München auf und ver­wies den Fall zurück. Es betonte, dass der Betrieb­srat seine Überwachungsauf­gaben nur dann effek­tiv wahrnehmen kann, wenn er genau weiß, welche konkreten mut­ter­schutzrechtlichen Bes­tim­mungen er überwachen will und warum dafür die Nen­nung der Namen der schwan­geren Arbeit­nehmerin­nen notwendig ist. Die all­ge­meine Beru­fung auf die Überwachung der Ein­hal­tung von Arbeitss­chutzvorschriften genügt nicht, um den Auskun­ft­sanspruch zu begrün­den. Zusät­zlich wies das BAG darauf hin, dass der Anspruch auf daten­schutzrechtliche Grund­lage gestellt wer­den muss und geeignete Schutz­maß­nah­men für die betrof­fe­nen Arbeit­nehmerin­nen erforder­lich sind. Der Kon­flikt zwis­chen Daten­schutz und der Infor­ma­tion­spflicht des Betrieb­srats müsse noch einge­hend geprüft werden.

https://www.bundesarbeitsgericht.de/entscheidung/1‑abr-51–17

Unterlassungsansprüche des Betriebsrats bei Dienstplangestaltung und der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung (BAG, Beschluss vom 12.03.2019, 1 ABR 42/17)

Zusam­men­fas­sung des Sachverhaltes:

Die Arbeit­ge­berin, eine Klinik in Nieder­sach­sen, und der Betrieb­srat strit­ten über die kor­rek­te Auf­stel­lung von Dien­st­plä­nen. Der Betrieb­srat forderte, dass Dien­st­pläne seine vorherige Zus­tim­mung benöti­gen und klagte auf Unter­las­sung ver­schieden­er Prak­tiken der Arbeit­ge­berin, die sein­er Mei­n­ung nach sein Mitbes­tim­mungsrecht ver­let­zten. Die Arbeit­ge­berin wiederum argu­men­tierte, der Betrieb­srat han­dele treuwidrig, indem er ohne aus­re­ichende Begrün­dung die Dien­st­pläne ablehne und sich den Ver­hand­lun­gen in der Eini­gungsstelle entziehe. Das Arbeits­gericht und das Lan­desar­beits­gericht gaben dem Betrieb­srat Recht. Die Arbeit­ge­berin legte Rechts­beschw­erde beim Bun­de­sar­beits­gericht ein.

Zusam­men­fas­sung der Urteilsbegründung:

Das Bun­de­sar­beits­gericht gab der Rechts­beschw­erde der Arbeit­ge­berin statt und hob die Entschei­dun­gen der Vorin­stanzen auf. Das Gericht führte aus, dass der Ein­wand der unzuläs­si­gen Recht­sausübung nach § 2 Abs. 1 BetrVG in diesem Fall greife. Der Betrieb­srat habe durch sein Ver­hal­ten in erhe­blichem Maße gegen seine Mitwirkungspflicht­en ver­stoßen, indem er sich den Ver­hand­lun­gen und der Bil­dung ein­er Eini­gungsstelle wieder­holt ver­weigerte. Diese Ver­weigerung­shal­tung könne nicht mit dem bloßen Ver­weis auf eine ange­bliche Geset­zes- und Tar­ifwidrigkeit der Dien­st­pläne gerecht­fer­tigt wer­den. Weit­er­hin stellte das BAG klar, dass der all­ge­meine Unter­las­sungsanspruch aus § 87 Abs. 1 BetrVG auf die Wieder­her­stel­lung eines betrieb­sver­fas­sungs­gemäßen Zus­tands abzielt und nicht darauf, einen betrieb­sver­fas­sungswidri­gen Zus­tand aufrechtzuer­hal­ten. Daher könne der Betrieb­srat nicht ver­lan­gen, dass die Arbeit­ge­berin sich an nicht mitbes­timmte Dien­st­pläne hält.

https://www.bundesarbeitsgericht.de/entscheidung/1‑abr-42–17

Unterrichtung des Betriebsrats über Arbeitsunfälle Dritter (BAG, Beschluss vom 12.03.2019, 1 ABR 48/17)

Zusam­men­fas­sung des Sachverhaltes:

Die Arbeit­ge­berin, ein deutsch­landweit tätiger Kuri­er- und Express­di­enst, beschäftigt neben eige­nen Arbeit­nehmern auch Fremd­per­son­al über Ser­vi­cepart­nerverträge. Der Betrieb­srat forderte Infor­ma­tio­nen und Doku­mente zu Arbeit­sun­fällen von Beschäftigten der Ser­vi­cepart­ner, die sich im Betrieb­s­ge­bäude oder auf dem Betrieb­s­gelände ereigneten, und ver­langte zudem, dass ihm Unfal­lanzeigen zur Ken­nt­nis­nahme und Mitun­terze­ich­nung vorgelegt wer­den. Die Arbeit­ge­berin lehnte ab, da sie nicht für die Erstel­lung der Unfal­lanzeigen zuständig sei und keine solchen Doku­mente von den Ser­vi­cepart­nern erhal­ten habe.

Zusam­men­fas­sung der Urteilsbegründung:

Das Bun­de­sar­beits­gericht entsch­ied teil­weise zugun­sten des Betrieb­srats. Es wurde fest­gestellt, dass der Betrieb­srat ein berechtigtes Inter­esse an Infor­ma­tio­nen über Arbeit­sun­fälle des Fremd­per­son­als hat, die auf dem Betrieb­s­gelände oder im Betrieb­s­ge­bäude der Arbeit­ge­berin auftreten. Diese Infor­ma­tio­nen sind für den Betrieb­srat erforder­lich, um seine Auf­gaben im Bere­ich des Arbeitss­chutzes und der Unfal­lver­hü­tung wahrzunehmen. Dazu gehören Datum, Uhrzeit, Ort des Unfalls, Unfall­her­gang und die Art der erlit­te­nen Ver­let­zun­gen. Infor­ma­tio­nen über den Namen des betrof­fe­nen Arbeit­nehmers, das beteiligte Ser­vi­cepart­nerun­ternehmen und weit­ere Details wie Anschrift, Arbeit­sun­fähigkeit und Namen von Unfal­lzeu­gen wur­den jedoch als nicht erforder­lich für die Auf­gaben­wahrnehmung des Betrieb­srats ange­se­hen und fol­glich abgewiesen. Weit­er­hin hat der Betrieb­srat keinen Anspruch auf Vor­lage der Unfal­lanzeigen, da die Arbeit­ge­berin keine Pflicht zur Erstel­lung dieser Anzeigen hat.